Die UNESCO-Konvention 1970 - Verbindlicher Wortlaut
Kulturgut als gemeinsames Erbe der Menschheit
Die UNESCO-Konvention regelt den internationalen Kulturguttransfer und soll insbesondere den Missbräuchen im internationalen Handel mit Kulturgütern entgegentreten.
Im Gegensatz zur UNIDROIT-Konvention ist das UNESCO-Übereinkommen nicht direkt anwendbar, d.h. jeder Staat muss diese Konvention auf nationaler Ebene umsetzen und in sein nationales Recht integrieren. Zudem richtet sich die UNESCO-Konvention - im Gegensatz zur UNIDROIT-Konvention (vgl. Kapitel II, Rückgabe gestohlener Kulturgüter) - nicht direkt an Privatpersonen, sondern verpflichtet die Konventionsstaaten, gesetzgeberische und administrative Massnahmen zum Schutz von Kulturgut zu ergreifen. Die Bestimmungen der UNESCO-Konvention haben nur zwischen Vertragsstaaten Gültigkeit.
Der Vorteil der UNESCO-Konvention liegt darin, dass diese offen formuliert ist, so dass jeder ihr beitretende Staat die Verpflichtungen mittels geeigneter Bestimmungen und Maßnahmen seiner eigenen nationalen Situation und Anschauung anpassen kann.
Die UNIDROIT-Konvention wird bisweilen wegen ihrer starren und doch sehr weitgreifenden Konzeption kritisiert. (vgl. Wiederkehr Schuler, Elsbeth: Kulturgüterschutz - Freier Kunstmarkt, Zwei internationale Konventionen: Unidroit und Unesco 70, Zürich 2000, S.34)
Die UNESCO-Konvention legt zwar Kategorien fest, die es erlauben ein Gut dem kulturellen Erbe eines Staates zuzuordnen, es fehlt jedoch eine allgemein gültige Definition des Begriffs Kulturgut. Die Konvention enthebt die Staaten nicht ihrer eigenverantwortlichen Entscheidung darüber, welches Kulturgut zu schützen ist. Dies führt dazu, dass derselbe Begriff für unterschiedliche Inhalte verwendet wird und mitunter sehr weit gefasst wird.
Die Verpflichtungen
Art. 1
Art.1 der UNESCO-Konvention enthält einen Katalog jener Güter, die von den Konventionsstaaten unter dem Begriff Kulturgut subsumiert werden können.
Gemäß Art. 1 gilt als Kulturgut im Sinne dieses Übereinkommens
"das von jedem Staat aus religiösen oder weltlichen Gründen als für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft besonders wichtig bezeichnete Gut, das folgenden Kategorien angehört: (...)"
Das Kulturgut muss zusätzlich dem kulturellen Erbe eines Staates zuzuordnen sein, d.h. es muss eine der 5 Kategorien des Art. 4 erfüllen.
Der Umfang des Katalogs verdeutlicht, dass dem Begriff ein nahezu unbegrenzter Anwendungsbereich zugestanden wird. Dieser sachlich weit gefasste Geltungsbereich wird letztlich dadurch eingeschränkt, dass sich die Rückgabepflicht von gestohlenen Kulturgütern lediglich auf solche Objekte bezieht, die aus einem Museum oder einer ähnlichen Einrichtung gestohlen worden sind. Die Vertragsstaaten können zudem Vorbehalte und auslegende Ergänzungen zu einzelnen Verpflichtungen der Konvention abgeben. Dadurch wird der Anwendungsbereich einzelner Artikel erheblich eingeschränkt. (vgl. Wiederkehr Schuler, Elisabeth, S.34)
Art. 6
Art. 6 verpflichtet die Vertragsstaaten nicht nur zur Regelung der Einfuhr, sondern auch der Ausfuhr von Kulturgütern. Dieser Artikel verpflichtet die Vertragsstaaten zum Erlass nationaler Exportgesetze, insbesondere zur Einführung einer Ausfuhrbescheinigung für das geschützte Kulturgut und dem Erlass eines Verbotes einer Ausfuhr ohne Bescheinigung. Die Kulturgüter, deren Import in einen anderen Vertragstaat grundsätzlich verboten ist, müssen im innerstaatlichen Bereich einem Exportverbot unterstehen. Für den legalen Export ist demnach eine Ausfuhrbescheinigung vorgesehen.
Als problematisch erweist sich vor allem ein Exportverbot für Kulturgüter, die sich im Privatbesitz befinden.
Art. 7
Art. 7 verpflichtet die Vertragsstaaten zum Erlass nationaler Importgesetze sowie zur Einführung von Rückgaberegelungen.
Art. 7 lit.a) bestimmt, dass das Importverbot auf Kulturgüter anwendbar ist, die nach Inkrafttreten der Konvention für beide Staaten widerrechtlich aus einem Vertragsstaat ausgeführt oder gestohlen wurden.
Die UNESCO-Konvention unterscheidet sich im zeitlichen Anwendungsbereich erheblich von der UNIDROIT-Konvention, da diese bei gestohlenen oder illegal ausgegrabenen Kulturgütern eine gewisse zeitliche Rückwirkung zulässt. (vgl. Wiederkehr Schuler, S.35)
Art. 7 lit. a) S.1
Art. 7 lit. b) Ziff. i)
Art. 7 lit. b) Ziff. ii) S.1
Art. 7 lit. b) Ziff. ii) S.1 verpflichtet die Vertragsstaaten auf Ersuchen des Ursprungsstaates, der Vertragspartei der Konvention ist, geeignete Maßnahmen zur Wiedererlangung und Rückgabe von nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens für beide betreffenden Staaten eingeführtes Kulturgut zu ergreifen, mit der Maßgabe, dass der ersuchende Staat einem gutgläubigen Erwerber oder einer Person mit einem gültigen Rechtsanspruch an dem Gut eine angemessene Entschädigung zahlt.
Entdeckt ein Vertragsstaat die Einfuhr von gestohlenen Kulturgütern, so muss er geeignete Massnahmen zur Wiedererlangung und Rückgabe des Kulturgutes treffen. Die gestohlenen Güter müssen demnach beschlagnahmt und dem ersuchenden Vertragsstaat zurückgegeben werden, wenn dieser den Nachweis erbringen kann, dass das Kulturgut zum Inventar der Einrichtung gehörte.
Die Bestimmung der UNESCO-Konvention über die Rückführung gestohlener Kulturgüter ist nicht so weitreichend wie diejenige der UNIDROIT-Konvention, da sie die Rückführungspflicht auf einen genau definierten Kreis von gestohlenen Kulturgütern beschränkt. Diese müssen aus einem öffentlichen Gebäude oder einem öffentlich zugänglichen privaten Museum gestohlen sein und zum Inventar jener Einrichtung gehören.
Mit dieser Formulierung schließt die Konvention den gesamten privaten Bereich aus, welcher die UNIDROIT-Konvention hingegen ebenfalls unter die Rückführungspflicht subsumiert.
Entschädigungspflicht bei gutgläubigem Erwerb
Als Voraussetzung für eine Entschädigungspflicht des ersuchenden Staates verlangt die UNESCO-Konvention den gutgläubigen Erwerb.
Die UNIDROIT-Konvention hingegen gewährt nur dann eine Entschädigung, wenn der Erwerber weder wusste , noch vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass das Kulturgut gestohlen wurde und wenn er den Nachweis erbringen kann, dass er beim Erwerb dieses Gutes mit gebührender Sorgfalt gehandelt hat.
Danach stellt die UNESCO-Konvention weniger weit greifende Anforderungen an den Käufer als die UNIDROIT-Konvention.
Art. 7 lit. b) Ziff. ii) war bislang eines der gegen dieses Übereinkommen seitens der Bundesrepublik Deutschland vorgebrachten Bedenken "tiefgreifender Eingriffe" in das Privatrecht.
Nicht inventarisierte Kulturgüter
Der Vorteil der Beschränkung einer Rückführungspflicht auf einen genau definierten, überschaubaren Kreis an gestohlenen Kulturgütern, birgt einen gravierenden Nachteil: Illegal ausgegrabene und nicht inventarisierte Kulturgüter, insbesondere archäologische Bodenfunde ohne Provenienz, gehören - entgegen den Bestimmungen der UNIDROIT-Konvention - nicht zu den Objekten, für die Art. 7 lit b) Ziff. i) der UNESCO-Konvention eine Rückführungspflicht der Vertragsstaaten vorsieht.
Einem Teil dieser Kulturgüter, insbesondere archäologischen und ethnologischen Objekten zweifelhafter Provenienz, soll mit Hilfe des Art. 9 der UNESCO-Konvention Schutz gewährt werden.Art. 9
Art. 3
Die Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut gelten als unzulässig
"wenn sie im Widerspruch zu den Bestimmungen stehen, die von den Vertragsstaaten auf Grund dieses Übereinkommens angenommen worden sind."
Art. 2, 3 und 9 der UNESCO-Konvention verpflichten die Vertragsstaaten zur Bekämpfung der unzulässigen Einfuhr von Kulturgütern. Unzulässig ist die Einfuhr von Kulturgütern dann, wenn sie im Widerspruch zu den von den Vertragsstaaten in diesem Übereinkommen angenommenen Bestimmungen stehen.
Völkerrechtlicher Grundsatz ...
In Verbindung mit Art. 6 und 7 verpflichten sich die Vertragsstaaten durch Art. 3, den illegalen Export eines Kulturgutes aus einem anderen Vertragsstaat im eigenen Land als illegalen Import anzuerkennen.
Mit dieser Verpflichtung durchbricht die UNESCO-Konvention den im Völkerrecht geltenden Grundsatz, der Nicht-Durchsetzbarkeit öffentlich-rechtlicher Normen im Ausland:
Der jeweilige Importstaat hat demnach ausländische Exportverbote durchzusetzen, die möglicherweise im Gegensatz zu seinen Prinzipien stehen. Die Konvention stellt es dem jeweiligen Exportstaat ja gerade frei, eigenverantwortlich zu regeln, in welchem Umfang er welche Arten von Kulturgut zu schützen gedenkt (vgl. Art.1).
Nicht nationale Normen als Grenzen ...
Dies führt zwangsläufig auch zu der bedeutsamen Frage: Welchen Anteil haben insoweit fremde nationale und internationale Rechtsnormen für die Auslegung bzw. Konkretisierung der inländischen Bestimmungen über die Grenzen der Vertragsfreiheit ?
Regelung der Einfuhr
- Kanadisches System
Die Einfuhr von Kulturgut nach Kanada gilt als rechtswidrig, wenn das Objekt illegal aus einem Vertragsstaat ausgeführt wurde.
In dieser Hinsicht steht das kanadische System der von der UNIDROIT-Konvention vorgesehenen Regelung recht nahe: der die Ausfuhr verbietende Staat muss sich weder auf Kulturgüter von herausragender Bedeutung ("national treasures") noch auf eine bestimmte Gattung von Kulturgütern beschränken. Demnach darf der Vertragsstaat alles, was unter diese weitreichende Aufzählung von Art.1 der UNESCO-Konvention subsumiert werden kann, mit einem Exportverbot belegen und die Einfuhr nach Kanada wird als rechtswidrig erachtet.
- US-amerikanisches System
Die Vereinigten Staaten von Amerika haben die Einfuhrkontrolle von Kulturgütern aus den Vertragsstaaten in einer eher differenzierten Art und Weise umgesetzt. Die Ratifizierung erfolgte unter Angabe eines Vorbehaltes sowie der Abgabe von sechs auslegenden Erklärungen.
Auf diese Weise wurde die eigene Pflicht der Exportkontrolle ausgeklammert, ebenso die vorbehaltlose Anerkennung von ausländischen Exportverboten sowie die Überwachung des Kunst- und Antiquitätenhandels. Die Vereinigten Staaten sehen für die Importbeschränkung von Kulturgütern bilaterale oder multilaterale Abkommen mit den Vertragsstaaten vor.
Mithin ist für die Umsetzung der Einfuhrkontrolle ein Zusatzabkommen mit den Vertragsstaaten notwendig, welches eine Definition der mit einem Importverbot nach den Vereinigten Staaten belegten Kulturgütern enthält. Die Einfuhr eines durch ein Zusatzabkommen geschütztes Objekt in die USA ist nur bei Vorlage einer Exportbescheinigung des Ursprungsstaates rechtmäßig.
Fortsetzung: Nicht-nationale Normen ...
© Ulrike-Christiane Lintz, 01.03.2007