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Der Nigeria Fall

Die Berücksichtigung ausländischer Exportverbote im Nigeria Fall

 

Im sog. Nigeria-Fall ( BGHZ 59, 82 ff - Urt. v. 22.6.1972 = NJW 1972, 1575 ff) wurde seitens der Rspr. erstmals ausdrücklich die Herleitung des Sittenverstoßes mit einer Art internationalem  ordre public  begründet.

Der Bundesgerichtshof hat im Nigeria-Fall das ausländische Exportverbot bei der Anwendung des deutschen Rechts mittelbar berücksichtigt, in dem er den Verstoß gegen dieses Verbot als sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB wertete. Der ordre public  - nach deutschem Recht geregelt in Art. 6 S.1 EGBGB - beschreibt den unantastbaren Teil der Rechtsordnung eines Staates, der fremdes Recht, das ihm widerspricht, von der Anwendung ausschließt. (vgl. Hipp, Anette: Schutz von Kulturgütern in Deutschland, Schriften zum Kulturgüterschutz, Berlin, New York 2000, S.174,192)

Art. 6 S.1 EGBGB

Gemäß  Art. 6 S.1 EGBGB gilt:

"Eine Rechtsnorm eines anderen Staates ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist."

Nigeria-Fall (BGHZ 59, 82 ff)

Gegenstand war die Wirksamkeit eines See-Güterversicherungsvertrages, der einen nach nigerianischem Recht verbotenen Export afrikanischer Masken und Figuren betraf.

Eine nigerianische Firma schloß zur Absicherung eines Transportes afrikanischer Masken und Statuen von Nigeria nach Hamburg auf dem Seeweg  mit einer deutschen Versicherung einen Seetransportversicherungsvertrag ab. Aus dieser illegalen Ladung gingen unterwegs sechs Bronzefiguren  verloren.

Im Prozeß forderte der Kläger aus abgetretenem Recht der nigerianischen Firma von der beklagten Versicherung wegen des Verlusts der sechs Bronzefiguren eine Entschädigung. Die beklagte Versicherung  machte die Unwirksamkeit des Versicherungsvertrages mit der Begründung geltend, dass der Transport gegen ein nigerianisches Ausfuhrverbot von Kunstgegenständen verstoßen habe. Unstreitig war, dass der Export dieser nigerianischen Kulturgüter illegal erfolgte.

Der Bundesgerichtshof hatte nun darüber zu entscheiden, ob die Illegalität des Exports Auswirkungen auf den Versicherungsvertrag  nach deutschem Recht hatte.

Seine Ausführung lautete wie folgt:

Gem.  § 2 Abs.1 ADS (Allgemeine Deutsche Seeversicherungsbedingungen) setze eine wirksame Versicherung  ein erlaubtes versichertes Risiko voraus. Insoweit ein ausländisches Verbotsgesetz im Inland unmittelbar keine Verbindlichkeit besitze, sei eine Anwendung des § 134 BGB schon nicht in Betracht zu ziehen. Ein ausländisches Gesetz könne allerdings mittelbar für die Frage Beachtung finden, ob die versicherte Unternehmung gegen die guten Sitten verstoße und der Versicherungsvertrag daher gem. § 138 BGB unwirksam sei.

Das nigerianische Ausfuhrverbot bezwecke die Erhaltung des künstlerischen Erbes im Ursprungsland und den Schutz des Landes vor einer Ausplünderung durch ausländische Kunstliebhaber und Händler.

Die Umgehung eines solchen Schutzgesetzes müsse als Zuwiderhandlung des nach heutiger Auffassung allgemein zu achtenden Interesses aller Völker an der Erhaltung von Kulturwerten an Ort und Stelle als verwerflich erachtet werden.

Die Begründung für das "allgemein zu achtende Interesse aller Völker"  entnahm der Bundesgerichtshof  der UNESCO-Konvention von 1970.  Die Bundesrepublik Deutschland habe diese Konvention zwar nicht unterzeichnet, diese bestätige jedoch, dass in der Völkergemeinschaft bestimmte grundsätzliche Überzeugungen bestünden:

  • über das Recht jedes Landes auf den Schutz seines kulturellen Erbes
  • über die Verwerflichkeit von es beeinträchtigenden "Praktiken" (so Art. 2 der Konvention), die bekämpft werden müssten.

Der mittelbare Schutz auch deutscher Interessen durch dieses Exportverbot  -  in den Embargo-Fällen noch beschworen - schied hier vollständig aus. Es ging allein um den Schutz Nigerias vor einer Ausplünderung durch ausländische Kunstliebhaber und Händler. Der BGH erschloss das Unwerturteil daraus, dass das ausländische Gesetz die " nach heutiger Auffassung allgemein zu achtenden Interessen aller Völker an der Erhaltung von Kulturwerten an Ort und Stelle" schütze.

Diese Bewertung leitete er schließlich aus den unterschiedlichen Willensbekundungen der UNESCO ab sowie aus einem von der Generalkonferenz der UNESCO angenommenen internationalen Abkommen, das aber in der BRD noch nicht verbindlich war.

Art. 2

(1)   Die Vertragsstaaten erkennen an, dass die unzulässige Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut eine der Hauptursachen für das Dahinschwinden des kulturellen Erbes der Ursprungsländer darstellen und dass die internationale Zusammenarbeit eines der wirksamsten Mittel zum Schutz des Kulturguts jedes Landes gegen alle sich daraus ergebenden Gefahren ist.

(2)   Zu diesem Zweck verpflichten sich die Vertragsstaaten, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln diese Praktiken zu bekämpfen, indem sie insbesondere ihre Ursachen beseitigen, im Gang befindliche Praktiken beenden und zu den erforderlichen Wiedergutmachungen beitragen.

Im Interesse der Wahrung der Anständigkeit im internationalen Verkehr mit Kunstgegenständen verdiene die Ausfuhr von Kulturgut entgegen einem Verbot des Ursprungslandes keinen bürgerlich-rechtlichen Schutz. Dieser Schutz bestünde auch nicht durch die Versicherung einer Beförderung, durch die Kulturgut aus dem von der ausländischen Rechtsordnung beherrschten Gebiet - dem seiner Sicherung dienenden Ausfuhrverbot entgegenstehend -  ausgeführt werden solle. Ein versicherbares Interesse im Sinne des § 2 Abs.1 ADS (Allgemeine Deutsche Seeversicherungsbedingungen) liege diesem Vertrag schon nicht zugrunde.

Der nationale ordre public

Der Bundesgerichtshof hatte somit im Nigeria-Fall  bei der Anwendung des deutschen Rechts das ausländische Exportverbot mittelbar berücksichtigt, indem er den Verstoss gegen dieses  Exportverbot als sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB wertete.

Ausnahmsweise kommt der Grundsatz der lex rei sitae dann nicht zur Anwendung, wenn das durch ihn berufene ausländische Recht gegen den ordre public des Forumstaates verstößt. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann mithin auch für die Frage Beachtung finden, wie eine Veräußerung eines illegal in die Bundesrepublik Deutschland importierten Kulturgutes, auf die nach dem Grundsatz der lex rei sitae  deutsches Recht anzuwenden ist, zu beurteilen ist. (vgl. Hipp, Anette, S.192)

Nach deutschem Recht - dieses geht vom sog. Abstraktionsprinzip aus, nach dem Verpflichtungsgeschäft (auch  Kausalgeschäft genannt) und Verfügungsgeschäft (auch Erfüllungsgeschäft genannt) in ihrer Wirksamkeit rechtlich voneinander  unabhängig sind und der Sicherung der Leichtigkeit des Warenverkehrs dienen - erfasst die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts ausnahmsweise neben dem Kausalgeschäft auch das Verfügungsgeschäft, wenn der Sittenverstoss gerade in der Veränderung der Güterzuordnung liegt. Dieser Gedanke ist für den Verstoß gegen ein nationales Exportverbot für Kulturgut zutreffend, da  dieses Verbot ja gerade den Zweck verfolgt, das Kulturgut vor Abwanderung ins Ausland zu schützen.

Demnach sind sowohl der Kaufvertrag (Kausalgeschäft) über ein illegal in die Bundesrepublik Deutschland importiertes Kulturgut als auch seine Eigentumsübertragung (Verfügungsgeschäft) unwirksam. Ein Herausgabeanspruch für den Herkunftsstaat ergibt sich daraus jedoch nur dann, wenn er Eigentümer des illegal exportierten Kulturgutes war. Die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfte wirkt allein zwischen Veräußerer und Erwerber.

Über die Anwendung des ordre public könnte demnach zwar erreicht werden, dass ausländische Zivilrechtsnormen, die den gutgläubigen Eigentumserwerb an gestohlenem Kulturgut zulassen oder solche, die die Ersitzung innerhalb kurzer Fristen vorsehen, vor dem Zivilgericht des belegenen Staates keine Beachtung finden.

Umstritten ist jedoch, ob die in einigen Ländern bestehende Möglichkeit eines gutgläubigen Eigentumserwerbs an gestohlenen Sachen gegen den ordre public solcher Staaten verstößt, die diese Regelung nicht kennen. So wird etwa ein Verstoß gegen den deutschen ordre public durch den nach italienischem Recht zulässigen gutgläubigen Erwerb an gestohlenen Sachen verneint, da auch das deutsche Recht Ausnahmen - insbesondere in Form der Ersitzung und Verjährung - kenne. (vgl. Hipp, Anette, S.174)

 

 

Fortsetzung: Handel mit Kulturgut ...

 

 

© Ulrike-Christiane Lintz, 01.03.2007