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Die Anonyme Chronik

Emir Husain und seine Flotte

Die beste dieser Quellen ist die sogenannte Anonyme Chronik, die offensichtlich während der Herrschaft von König Dom Manuel geschrieben wurde; es ist in der Tat diese Quelle, die uns den genauesten Blick auf die Aktivitäten von Emir Husain und seine Flotte zwischen 1506 und 1509 ermöglicht.(31)
Abb. 10: Mameluckisches Schiff mit Bogenschützen, Schattenspielfigur, ägypten, 15. Jahrhundert, Kat.-Nr. III.23; ibid., S. 39.
Abb. 10: Mameluckisches Schiff mit Bogenschützen, Schattenspielfigur, ägypten, 15. Jahrhundert, Kat.-Nr. III.23; ibid., S. 39.

Emir Husain wird in diesem Text als Elite-Mamelucke beschrieben, dessen Flotte anfangs aus sechs Schiffen und sechs Galeeren bestand, die zum Zeitpunkt des Auslaufens aus dem Hafen von Suez im Februar 1506 mit 900 „Mamelucken und Venezianern sowie bezahlten Türken“ bemannt waren. Der anonyme Autor behauptet, die Venezianer hätten bei der Vorbereitung der Flotte eine wichtige Rolle gespielt, indem sie das notwendige Holz nach Alexandria geschickt hätten; aber diese Behauptung kann ebenso widerlegt werden wie der Eindruck, dass viele Venezianer an Bord gewesen seien. Die erste Aufgabe dieser Flotte bestand nun allerdings nicht darin, die Portugiesen im Indischen Ozean zu bekämpfen. Zunächst sollte sie eine gewisse Ordnung in die zunehmend chaotischen Zustände im Roten Meer bringen. In dieser Hinsicht sollte Emir Husain eine Methode vorwegnehmen, die von den Osmanen im Verlauf des 16. Jahrhunderts mehrmals angewendet werden sollte; beispielsweise drang Hadim Süleyman Pasha 1538/39 nicht nur bis Guzerat vor, sondern sorgte auch für eine neue Ordnung im Roten Meer und in Aden.(32)

Nach dem Auslaufen aus Suez im Jahr 1506 scheint Emir Husains Flotte einen kurzen Vorratsstopp in El Tur gemacht zu haben, dicht an der Einfahrt zum Golf von Suez, einem wichtigen Verladehafen auf der Gewürzroute nach Ägypten. Die nächste Station war Janbu` al-Bahr („Liambão im Text des anonymen Autors), das bekanntermaßen eine wichtige Zwi­schenstation für die „Mekka-Pilger“ war. Der dortige Herrscher ließ jedoch die Pilger nicht mehr durch, und Emir Husain überbrachte ihm offensichtlich eine Warnbotschaft vorn Sultan. Da diese Warnung keine Wirkung zeitigte, begann die Flotte die Stadt zu bombardieren, und die Soldaten gingen an Land; es folgte ein Gefecht, in dem die Mamelucken-Streitkräfte siegreich waren, wenn auch mit einigen Verlusten. Ein neuer Herrscher wurde eingesetzt, und die Flotte segelte nach Dschi­dda weiter, dem Haupthafen Mekkas. Hier gab es keine Schwierigkeiten, und die Flotte konnte schnell wieder Richtung Süden nach Jizan („Sagão“) aufbrechen, das als „unbefestigte Stadt mit 1000 Haushalten, mit einer großen geschützten Bucht“ beschrie­ben wird.(33)

Hier wurde wiederum dem lokalen Herrscher, einem gewis­sen Scheich Al-Darawi, eine Lektion erteilt, weil er dem Sultan nicht die fälligen Tribute (Páreas) gezahlt hatte; die Stadt wurde geplündert und die Beute nach Kairo gesandt. Emir Husain scheint dann eine lange Zeit, vielleicht sogar ein ganzes Jahr, in Dschidda verbracht zu haben, von wo er erst im August oder ecptember 1507 abreiste. Aus den portugiesischen Chroniken geht nicht deutlich hervor, warum er so lange zögerte, in den Indischen Ozean einzufahren, insbesondere, da der lange Auf­enthalt in Dschidda fast zu einer Meuterei unter den Besatzun­gen der verschiedenen Schiffe führte, von denen mindestens zwei die Flotte verließen und selbständig Richtung Indien segel­ten. Eine mögliche Annahme ist, dass er auf weitere Finanzmit­tel aus Kairo wartete, es kann aber auch sein, dass der Emir mit neuen Nachrichten aus Indien rechnete.

Der ägyptische Chronist Ibn Iyas hilft dabei, etwas Licht in diese Angelegenheit zu bringen. Er schreibt, dass Emir Husain „darum gebeten worden war, den Bau der Befestigungsmauern und der Türme von Dschidda zu überwachen; dies waren aus­gezeichnete Arbeiten“. (34) Er fügt jedoch hinzu, dass der Emir während dieser Zeit (also1506/07) das Amt des „Gouverneurs (niyābat) von Dschidda bekleidete und sich jetzt voller Eitelkeit und Willkür zeigte. Den Kaufleuten (tujjār) wurde eine Steuer ( ’ushr) von zehn Prozent auferlegt, und die Bevölkerung, die unter seiner Ungerechtigkeit (zulm) stark gelitten hatte, fand ihn unerträglich“.(35) Der Chronist hatte schon an anderer Stelle die Handlungen von Emir Husain mit klaren Worten verurteilt: „Husain, der Gouverneur von Dschidda, erhob eine Steuer für die Händler aus Indien mit einer Rate von eins zu zehn; und so verließen die Händler den Hafen von Dschidda, dessen Lage immer ruinöser wurde; daher wurden Musselin, Reis undLeder knapp und der Hafen aufgegeben.“, Selbst wenn das übertrie­ben ist, können wir uns vorstellen, dass Emir Husains Ruf, habgierig zu sein, ihm schon vorauseilte, als er in den Indi­schen Ozean aufbrach.

Emir Husains wichtigste Korrespondenten in Indien waren zu der Zeit vermutlich der Sultan von Guzerat, Mahmud Be­garha (reg.1458-1511), und Malik Ayaz, der fast unabhängige Herrscher der größten Hafenstadt des Landes, Diu. Es ist offen­kundig, dass der Sultan und der Malik ihre Interessen nicht immer als völlig übereinstimmend empfanden. Letzterer war ein ehemaliger königlicher Sklave (ghulām-i khāss), dessen Her­kunft unterschiedlich mir Dalmatien, Russland, Türkei undPersien (Gilan) oder aber - was unwahrscheinlicher ist - mit Malaysia oder Java angegeben wurde. Nach seiner Freilassung hatte er Ländereien und Ressourcen in der Kathiwar-Region angehäuft und benutzte, von einem Zentrum in Junagarh aus operierend, Diu als seinen Meeresstützpunkt. Bis 1507, als die Mamelucken-Flotte in den Indischen Ozean einlief, hatte er dazu beigetragen, Diu von einem Hafen zweiten Ranges zum wichtigsten Verbindungszentrum Westasiens und Südostasiens zu verwandeln. Obwohl er erklärte, nur ein „Finanzbeamter des Königs von Khambat“ (hum almoxitrife del-ecyde Cambaya) zu sein, vcrfügte Malik Ayaz tatsächlich über eine eigene Flotte kleiner Schiffe (Atlaias) und eine beträchtliche Leibgarde, darunter viele Söldner.

Von daher war es verständlich, dass die Mamelucken-Flotte und ihr Befehlshaber ein Bündnis mit ihm anstrebten; und in der Tat schien man sich für Diu als Zentrum der Operationen der Mamelucken entschieden zu haben, statt für einen der Häfen an den Küsten von Konkan oder Malabar. Wahrscheinlich wurde Emir Husains Entscheidung in dieser Frage von der offenbar engen Beziehung zwischen dem Sultan von Guzerat und Kairo beeinflusst. Mangels der dafür notwendigen diplomatischen Korrespondenz können wir dies nicht direkt belegen, aber es ist klar, dass der Niedergang des Sultanats von Delhi ab dem späten 14. Jahrhundert ein erhebliches politisches Vakuum in dieser Region hinterlassen hatte. In den 1440er Jahren hatte Abdur Razzaq Samarqandi, Sondergesandter des Timuridenherrschers Shahrukh, versucht, für seinen Gebieter in Herat den Anspruch zu erheben, er habe eine Position der Schutzherrschaft über die früher vom Sultanat von Delhi beherrschten Gebiete. Aber es gibt keinen Hinweis darauf, dass solch ein Argument in Guze­rat ernst genommen wurde. Andererseits wissen wir aus dem Bericht von Ibn Iyas, dass nach dem Tod von Mahmud Begarha dessen Sohn, Malik Muzaffar Shah, dem keine größere Würde als die eines Sāhib Kanbāyat zuteil wurde, in Kairo und beim symbolischen Kalifen Al-Mutawakkil (min al-khalifa taqlida ba wilāyat ‚’ala Kanbāyat) um eine Art Herrschaftsverleihung über Khambat ersuchte.(36)

Wie auch immer es sich in dieser Sache verhalten mag, der Empfang der Flotte aus dem Roten Meer in Diu scheint zunächst durchaus positiv gewesen zu sein. Malik Ayaz stimmte zu, eine Flotte aus seinen eigenen kleinen Schiffen zu ihrer Begleitung zu schicken. Die Flotte segelte die Westküste Indiens hinunter und traf schließlich im März 1508im Hafen von Chaul, im Sultanat von Ahmadnagar, auf eine Flotte unter dem Kom­mando von Dom Lourcnço de Almeida, Sohn des portugie­sischen Vizekönigs. Im darauf folgenden Gefecht wurde der junge Almeida getötet und die portugiesische Flotte vernichtend geschlagen, wobei eine große Anzahl Portugiesen gefangenge­nommen wurde. Die siegreichen Verbündeten (zu denen auch einige Muslime aus Kalikut gehörten, darunter ein gewisser im Kampf getöteter „Maimame“) kehrten nach Diu zurück, aber das Bündnis hatte bereits zu bröckeln begonnen. Malik Ayaz begann Emir Husains allzu drakonische Art zu fürchten, die sich schon in Dschidda bemerkbar gemacht hatte. Aubin vertritt die Ansicht, dass auch die Anwesenheit des Dolmetschers Sidi `Ali al-Andalusi am Hof von Guzerat eine Rolle gespielt haben könnte, da dieser Muslim aus Granada sehr dazu neigte, die Macht der iberischen Herrscher übertrieben darzustellen. Auf jeden Fall ist es schwierig, sich hier der Schlussfolgerung Aubins zu entziehen: „Ängstlich auf die Bewahrung seiner so geschickt angeeigneten Autorität bedacht, fürchtete Malik Ayaz die militä­rische Überlegenheit der Ägypter, ihr Prestige und die Tatsache, dass die ihnen zugemessene Bedeutung ihre Herrschaftsgelüste stärken könnte, mehr als den Zorn des Vizekönigs.“ (37) Ein ähn­liches Szenario sollte sich 1538 mit den Osmanen abspielen.(38)

Die Nachricht vom großen Sieg bei Chaul erreichte den Hof von Kairo Ende 1508. Es hieß, dass sowohl eine beachtliche Beute als auch über hundert portugiesische Gefangene zum Hof unter­wegs seien. Auch der venezianische Konsul in Alexandria berich­tete dies und erwähnte Gerüchte, denen zufolge der Sultan den Bau weiterer Schiffe in El Tur vorbereite, die ins Rote Meer und von dort als Verstärkung zu Emir Husain geschickt werden sollten. Ibn Iyas hatte schon berichtet, dass der Emir „um Verstärkung gebeten hatte, um dem Rest der fränkischen Streit­kräfte ein Ende zu bereiten“.(39)

Letzten Endes passierte nichts dergleichen. Malik Ayaz be­schloss, sich mit Dom Francisco de Almeida zusammenzutun, und begann geheime Verhandlungen mit ihm. Der Vizekönig traf mit seiner Flotte Anfang Februar 1509 vor Diu ein, nachdem man den nur schwach befestigten Hafen Dabhol in Konkan geplündert hatte. Er war bereit, Emir Husains Flotte anzugrei­fen. Malik Ayaz verweigerte den Ägyptern die Unterstützung, und die ägyptische Flotte wurde weitgehend zerstört.(40) Emir Husain selbst wurde verletzt, kam aber mit dem Leben davon und flüchtete in die Hauptstadt Guzerats, weil er den Sultan Mahmud dem gewieften Malik Ayaz vorzog. Im Dezember 1512 sollte er in Begleitung eines Botschafters aus Guzerat seine schmerzvolle Rückkehr nach Kairo antreten; venezianische Berichte lassen anklingen, dass er wegen seines arroganten Verhaltens in Indien den Zorn des Sultans auf sich gezogen hatte (i sinistri modi usadi con superbia con quelli signori de India), der verschiedentlich dem Sultan von Guzerat und anderen zur Be­schwichtigung Botschaften und Geschenke (grandi e belli pre­senti) geschickt hatte.(41) In den wenigen Jahren, die dem Mame­lucken-Sultanat von Ägypten noch blieben, sollten keine wei­teren Expeditionen mehr in den Indischen Ozean geschickt werden.

(ibid., S. 39-41)

 

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