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James Simon als Philanthrop

"Man müsste Bände füllen,

wollte man alle öffentlichen Verdienste James Simons würdigen, aber das, was er in aller Stille ungenannt und ungekannt Gutes wirkte, war doch meines Erachtens das Einzige, was ihm innere Befriedigung verlieh. Sein Herz war besonders wach für alle Not, die sich zu verstecken suchte, und er wäre sehr ungehalten gewesen, hätte man ihm einen solchen Fall verschwiegen."

Therese Marner, 1951

Das neue Berlin:"Das Haus mit den 6 Höfen und den vielen Kindern. Haus Meyershof in der Ackerstraße, im Norden Berlins", 1910; ebd., Abb. S. 138 - Foto: Willy Römer
Das neue Berlin:"Das Haus mit den 6 Höfen und den vielen Kindern. Haus Meyershof in der Ackerstraße, im Norden Berlins", 1910; ebd., Abb. S. 138 - Foto: Willy Römer

Die Kunst des sinnvollen Gebens

"In jener Zeit des Reichtums und der Sicherheit gab es in Berlin manche Häuser, die an Glanz und Pracht dem Hause Simon ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen waren, ich glaube es gab keines, in dem der Hausherr von annähernder Bescheidenheit und Zurückhaltung war, letztere grenzte fast an Schüchternheit.

In ihr mag das Geheimnis gelegen haben, das Kinder in diesem Manne ein Verwandtes erspüren liess, denn alle Kinder flogen ihm zu (...). Seine ganz besondere Sorge und Liebe galt ja auch den Großstadtkindern, für deren Wohl er sich nie genug getan. Wie strahlte er, wenn er aus den Reihen der Ferienkolonien und der Schülerwanderungen (seinen Einrichtungen) 30-60 zu einem Ständchen, gelegentlich eines Festes bei ihm antraten und dann in seinem Hause bewirtet wurden (...)

So waren es nicht nur seine Enkelkinder und die Kinder aus dem Freundeskreise, die ihn liebten, es waren die Kinder schlechthin ! und diese Tatsache allein würde genügen, James Simon's grosse Güte zu bezeugen, die er betätigen musste, aus innerem Drang. Ja, James Simon war hilfbereit von Natur und in der glücklichen Lage, überall helfen zu können, wo Hilfe nottat."

Das kleine Porträt James Simons stammt von Theres Marner, die von 1908 bis 1932 zunächst als Hausangestellte und in den letzten Jahren Hausdame und Privatsekretärin Simons wirkte. Wie keine zweite ist Marners Charakterisierung geeignet, James Simons größtes Anliegen lebendig werden zu lassen. Sosehr der Kopf Simons der alten Kunst zugetan war - seinem Herzen standen die schutzbedürftigen Kinder am nächsten, die mittellosen Großstadtkinder in "ihrer traurigen Lage" von Krankheit, Armut, "Misshandlung und Ausnutzung".

(ebd., S. 140-141)

"Schwedenhilfe", Berlin um 1919; ebd.,  Abb. S. 142 - Foto: Willy Römer
"Schwedenhilfe", Berlin um 1919; ebd., Abb. S. 142 - Foto: Willy Römer

Gemeinnutz vor Kunst und Wissenschaft

"Der Förderung von privaten Initiativen auf sozialem Gebiet maß Simon eine höhere Priorität zu als der Förderung von Kunst und Wissenschaft. Exemplarisch hierfür ist das Kaiser und Kaiserin Friedrich Berliner -Sommerheim in Kolberg. Zwischen 1895 und 1898 stellte Simon allein für den Bau des Sommerheims 250 000 bis 300 000 Mark zur Verfügung. Wenn ihn Wilhelm von Bode, sein Mentor in Fragen des Kunstsammelns, um Unterstützung für den Ankauf bestimmter Kunstwerke für die Berliner Museen anging, so schrieb Simon: "Wie gern käme ich Ihnen zu Hülfe, wenn ich nicht durch mein Colberger Heim lahm gelegt wäre." Ein anderes Mal, 1898, ließ er ihn wissen: "Ich habe an Hospitale bis zum Ende d. n. Jahres 100, 000 M. zu zahlen, für andere gemeinnützige Dinge 50, 000 M., also für 1 Jahr eine Belastung mit 150, 000 M. Minimum. Dazu kommen laufende Sachen, keine Woche, wo nicht etwas kommt (...)

James Simon hat in seiner Philanthropie alle religiösen oder konfessionellen Schranken ignoriert. Seine Sympathie galt jüdischen wie christlichen oder konfessionslosen Hilfsorganisationen gleichermaßen - wenn er ihre Arbeit für sinnvoll hielt. So hatten es vor ihm schon sein Vater Isaak Simon und sein Onkel Louis Simon gehalten. So war es übrigens bei fast allen reichen jüdischen Familien in Berlin Brauch. 1899 beispielsweise gründete Simon zusammen mit seinem Freund Franz von Mendelssohn den konfessionsübergreifenden Verein zum Schutz der Kinder vor Misshandlung und Ausnutzung. In dessen Haus Kinderschutz in Berlin-Zehlendorf wurden bedürftige Kinder bis zum Konfirmationsalter erzogen. Simon und Mendelssohn stellten die Mittel für den Grundstückskauf, den Hausbau und die laufenden Kosten für Erzieher und Kinder bereit - insgesamt mehr als eine Million Mark. (...)"

(ebd., S. 142-143)

Reichtum verpflichtet

Wie seine Freunde Rudolf Mosse, Eduard Arnhold und Franz von Mendelssohn war James Simon davon überzeugt, dass Reichtum zu sozialem Engagement verpflichte. Als aufmerksamen Beobachtern ihrer Zeit war ihnen bewusst, dass Preußen und die Hauptstadt Berlin ihren sozialpolitischen Verpflichtungen ungenügend oder gar nicht nachkamen. Im fortschrittlichen Bürgertum und besonders in den politisch wachen jüdischen Milieus erlebte die Gründung von Stiftungen und Sozialvereinen in der Wilhelminischen Zeit einen wahren Boom, nicht nur in der Reichshauptstadt, sondern in allen größeren Städten des Kaiserreiches. Eines dieser neuen Tätigkeitsfelder, in dem auch Simon aktiv war, bestand in der Versorgung und Betreuung "minderbemittelter" oder kranker Großstadtkinder. Mehr als bloßes Geldspenden, davon war Simon überzeugt, verhieß vor allem die Investition in Erziehung langfristig eine positive Wirkung.

Simons Hilfsbereitschaft ließ selbst während der Kriegs- und Nachkriegszeit nicht nach, in Zeiten also, in denen auch sein Unternehmen "Gebrüder Simon" in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet. So gründete er während des Ersten Weltkrieges ein Kinderweisenhaus im weißrussischen, von der deutschen Armee besetzten Bialystok und unterstützte andere Einrichtungen dieser Art. Insgesamt 1 Millionen Mark stellte Simon in den Jahren 1915 bis 1917 bereit. So ist es in einem der wenigen Briefe zu lesen, in denen er Angaben zu seinem finanziellen Einsatz auf sozialem Gebiet machte. Gerichtet war er an den Sozialpolitiker Friedrich Naumann. (...)"

(ebd., S. 144-145)