Kaufmann - Sammler - Mäzen
James Simon. Sammler und Mäzen für die Staatlichen Museen zu Berlin.
James Simon und die Berliner Museen
Zum Geleit
Eine Geschichte ihrer Mäzene
Die Geschichte der Staatlichen Museen zu Berlin ist in ganz besonderem Maße eine Geschichte ihrer Mäzene. Der unendliche Reichtum und Umfang ihrer Sammlungen, vor allem die Internationalität der Staatlichen Museen als Universal- und Weltmuseum ersten Ranges sind ohne mäzenatische Kultur nicht zu denken. Weit über Vermögen und bloße Finanzkraft hinaus ist es nämlich gerade die Internationalität, Weltläufigkeit und kulturelle Offenheit, die den ideellen Rang wahren Mäzenatentums bestimmt. Zum 150. Geburtstag des jüdischen Kaufmanns und Mäzens James Simon kommt den Staatlichen Museen zu Berlin die Ehre zu, am Beispiel eines Lebenswerks zu zeigen, wie unendlich viel Berlin und unsere Nation mäzenatischer Großzügigkeit zu verdanken haben. James Simon hat mit seinen überreichen Schenkungen den Staatlichen Museen, ihren europäischen und außereuropäischen Sammlungen, Portale zu Meisterwerken der Weltkunst eröffnet, die anders unerreichbar geblieben wären. Mittlerweile sind diese Meisterwerke für das Publikum zur schönsten Selbstverständlichkeit geworden - und, wie die Nofretete, zu einem Wahrzeichen der Staatlichen Museen zu Berlin. In der Internationalität der Staatlichen Museen, dem Glanz ihrer Schätze, dem Weltrang ihrer Häuser lebt das Erbe James Simons bis heute fort.
Die Verdienste von James Simon, sein zukunftsweisendes Engagement für Kunst und Wissenschaft und die herausragende Bedeutung modernen Mäzenatentums für das Museum des 21. Jahrhunderts stehen denn auch im Mittelpunkt dieses Bandes. Zudem geben die nachfolgenden Texte Geleit und eine erste Orientierung für den Besuch unserer Sammlungen auf den Spuren eines großen Mäzens. Ob in der Skulpturensammlung, den Sammlungen der Gemäldegalerie, des Ägyptischen Museums, des Museums Europäischer Kulturen oder der Museen für Ost- und Vorderasiatische Kunst: Nirgendwo gewinnt das Leben und Wirken von James Simon lebendigere Anschaulichkeit als vor den Werken selbst.
Peter-Klaus Schuster, Generaldirektor der staatlichen Museen zu Berlin
(ebd., S. 7)
Kaufmann - Sammler - Mäzen
Ein Beitrag von Olaf Matthes
Mäzenatentum hat es seit der Antike gegeben. Aber nur dort, wo entsprechende gesellschaftliche Voraussetzungen vorliegen, kann sich das Mäzenatentum entfalten. In Deutschland bot das sonst so oft gescholtene Wilhelminische Zeitalter diese Bedingungen auf nahezu ideale Weise: Anreize wie Orden, Rangerhöhungen sowie der damit verbundene soziale Aufstieg, allgemeine gesellschaftliche Anerkennung und nicht zuletzt äußerst geringe steuerliche Belastungen bildeten eine Grundlage für potentielles Mäzenatentum. Die entscheidende Voraussetzung hierfür war jedoch ein beachtliches Vermögen. Durch die industrielle Entwicklung kam es im 19. Jahrhundert in Deutschland zur Bildung eines äußerst finanzkräftigen Wirtschaftsbürgertums, das die vielfältigen gesellschaftlichen Anreize wahrnahm und einen Teil des erworbenen Reichtums vor allem für soziale oder kulturelle Zwecke an die Öffentlichkeit zurückgab. Auf diese Weise ließ der Stifter Einsicht oder Kompetenz auf dem jeweiligen Gebiet erkennen und konnte zugleich auf gesellschaftliche Missstände hinweisen.
Für die wenigen aktiven Mäzene - besonders mit jüdischem Hintergrund - war ein weiterer Aspekt von wesentlich größerer Bedeutung: Durch ihr Schenkungsverhalten schufen sie sich eine unabhängige Handlungsbasis, die es ihnen erlaubte, selbst auf solchen Feldern tätig zu sein, die ihnen sonst verschlossen blieben. Zu diesen Männern gehörte James Simon, der bedeutendste Mäzen der Berliner Museen. Als James Simon (Abb. 1) am 17. September 1851 in Berlin geboren wurde, besaß sein Vater Isaak ein florierendes Herrengarderobengeschäft. Die wohlhabende jüdische Mittelstandsfamilie - James Simon hatte noch zwei Schwestern - wohnte, dem sozialen Status und Aufstieg entsprechend, in geräumigen Etagenwohnungen im Berliner Stadtzentrum.
"Gebrüder Simon Leinwand-Niederlage und Baumwollwaren-Fabrik"
Kindheit und Jugend
In seiner Kindheit und Jugend hat James Simon die Entwicklung der Familienfirma und den damit einhergehenden wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg miterlebt. Die Familie legte auf eine gediegene Ausbildung des Sohnes großen Wert, so wie sie in bürgerlichen Kreisen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland gepflegt wurde. Simon durfte das humanistische Gymnasium "Zum Grauen Kloster" besuchen. Hier lernte er begeistert Latein und Griechisch, bevorzugte als Lektüre antike Autoren, entwickelte ein anhaltendes Interesse für Alte Geschichte und absolvierte an dieser Eliteschule 1869 das Abitur. Besonders auf den Gebieten der Musik - Simon spielte Klavier und Geige -, Sprache und der Kunst beeindruckte ihn der begeisterungsfähige Schuldirektor Friedrich Bellermann nachhaltig.
Erholung fand Simon in den Sommerferien durch regelmäßige Besuche bei seinen Großeltern in Pyritz/Pommern. Vor allem die Großmutter muss ihn durch ihr soziales Engagement für notleidende Einwohner sehr beeindruckt und großen Einfluss auf sein Sozialverhalten ausgeübt haben. Auch zu Hause wurde er von der Mutter für die allgemeinen sozialen Missstände im rasch wachsenden Berlin sensibilisiert, was frühzeitig die Grundlagen für sein späteres soziales Engagement schuf. Nach dem Abitur hätte Simon gerne an der Berliner Universität Klassische Philologie studiert, fügte sich aber dem väterlichen Wunsch, als einziger Sohn in das Familienunternehmen "Gebrüder Simon" einzutreten. Hier durchlief er eine praxisorientierte Ausbildung, die durch ein halbjähriges Volontariat im englischen Bradford, dem damaligen Zentrum der britischen Textilindustrie, erweitert wurde. Im Alter von 25 Jahren wurde er schließlich Juniorpartner der "Gebrüder Simon".
Die Heirat mit Agnes Reichenheim
Sein soziales Engagement
Schon früh engagierte er sich für benachteiligte Kinder. Neben einer Reihe anderer sozialer Einrichtungen förderte er mit besonders großem persönlichen Einsatz den "Verein für Ferienkolonien". Dieser Verein bot kranken Berliner Schulkindern unter anderem die Möglichkeit, sich in einem von ihm finanzierten Sommerheim an der Ostsee in Kolberg zu erholen. Allein für dieses Heim gab Simon im Laufe der 1890er Jahre mehrere hunderttausend Goldmark aus. Tatsächlich investierte Simon, ähnlich wie andere Großmäzene in Deutschland, den weitaus größten Teil seiner freien Mittel in soziale Bereiche. Dabei spielte die religiöse Orientierung kaum eine Rolle. Nur in wenigen Fällen, wie etwa im "Hilfsverein der Deutschen Juden", der seit 1901 für die sozialen und kulturellen Belange seiner Glaubensgenossen außerhalb Deutschlands eintrat, machte sich Simon als langjähriger Präsident bis zu seinem Tod 1932 für spezifisch jüdische Belange stark. Tatsächlich unterstützte Simon dort, wo er Hilfe für nötig erachtete. Das galt nicht allein für sein weitgefächertes soziales Engagement. Er unterstützte persönlich eine ganze Reihe in Not geratener Familien, hoffnungsvoller Nachwuchsmusiker, Wissenschaftler oder Institutionen.
Die königlichen Museen zu Berlin
Von den großen kulturellen Einrichtungen profitierten besonders die Königlichen Museen zu Berlin. Seit 1876 verfügte Simon als Juniorpartner bei "Gebrüder Simon" über einen größeren Dispositionsfonds, der es ihm erlaubte, seiner frühen Neigung, dem Sammeln von niederländischen Gemälden, nachzugehen. 1885, mit 34 Jahren, konnte er sich seinen ersten Rembrandt leisten.
Bis zum Tod seines Vaters 1890 bewegten sich Simons finanzielle Möglichkeiten allerdings in einem vergleichsweise bescheidenen Rahmen. Nachdem Simon im Unternehmen die Position des Vaters als Seniorpartner übernommen hatte, verfügte er über wesentlich bedeutendere Mittel und verwendete sie verstärkt für eigene Kunstinteressen. Die Beschäftigung mit alter Kunst verstand Simon immer als Ausgleich zu der oft als einseitig empfundenen Arbeit in der eigenen Firma. Sein Engagement für die Belange der Berliner Museen ist daher letztlich auch als Kompensation für den nicht erfüllten Wunsch eines geisteswissenschaftlichen Studiums zu verstehen.
Das Wilhelminische Zeitalter
Seine Vorlieben für die italienische Renaissance
Zu einem der wichtigsten Sammler Bodes wurde der lernbegierige James Simon, der von Anfang an genaue Vorstellungen davon hatte, was er sammeln wollte. Die Qualität der Kunstwerke war für ihn ausschlaggebend. "An Zeit, Schule, Motiv binde ich mich nicht eng, weil ich nicht Sammler einer Spezialität sein will", ließ er in einem frühen Brief an Bode wissen. Simon hatte sich als erster der Berliner Sammler entschieden, unterschiedliche Kunstgattungen systematisch zu sammeln. Sein Schwerpunkt lag auf Werken italienischer Provenienz des 15. bis 17. Jahrhunderts, wobei er sich hier in einem größeren Kreis von Berliner Sammlern mit Vorlieben für die italienische Renaissance bewegte, zu ihnen gehörten Oscar Huldschinsky, Oscar Hainauer, Richard von Kaufmann und Adolph Thiem. Das gesellschaftliche und künstlerische Ideal, das die Werke Jacob Burckhardts über diese Epoche propagierten, hatte einen enormen Einfluss auf die Kunstliebhaber in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Seit etwa 1890 beschäftigte sich Simon auch theoretisch intensiver mit der Kunst und konnte nun immer öfter seine Vorstellungen von gewünschten Neuerwerbungen gegenüber Bode präzisieren. Ließ sich Simon in den ersten Jahren ganz von Bode leiten, entwickelte er bald eigene Vorstellungen davon, auf welchem Wege preiswerte und trotzdem sammelwürdige Kunstwerke zu erwerben waren.
Mit der zeitgenössischen Kunst freundete sich Simon nur in begrenztem Umfang an, da sich auch sein Lehrmeister auf diesem Gebiet zurückhielt. Wie den meisten Sammlern alter Kunst bot die Moderne für Simon kaum Identifikationsmöglichkeiten. Doch war er durchaus offen für einzelne Künstler der Gegenwart. Zu ihnen gehörten Josef Israels und Adolf von Hildebrand. Genauso wie Bode brachte er den Werken Max Liebermanns Sympathie entgegen. Dass er gerade den Impressionismus - wenn auch nicht für sich selbst - für sammelwürdig hielt, belegt die Tatsache, dass er der Nationalgalerie unter Hugo von Tschudi dazu verhalf, wenigstens ein bedeutendes Werk, Gustave Courbets Das Mühlenwehr (1866), zu erwerben. Seit Mitte der 1880er Jahre ließ sich Simon über etwa 20 Jahre hindurch intensiv von Bode beraten, so dass er im Laufe der Zeit selbst zu einem Kenner auf einzelnen Kunstgebieten wurde und eine von Museumsseite als vorbildlich erachtete Renaissancesammlung von Gemälden, Plastiken, Möbeln, Medaillen und Münzen zusammentragen konnte. Simon gilt heute zu Recht als Prototyp des von Bode angeleiteten Sammlers. Als sich Simon im Jahr 1900 entschloss, seine schon damals berühmte Kunstsammlung - die nach Voranmeldung auch besucht werden konnte - mit Werken der Renaissance den Museen anlässlich der Eröffnung des Kaiser-Friedrich-Museums (heute BodeMuseum) zu schenken, wurde die Zusammenarbeit bei deren Ausbau noch intensiviert. Bode und sein Assistent Max J. Friedländer mussten nun das Kaufverhalten Simons in Hinblick auf die von ihnen gewünschten Kunstwerke steuern, wofür der Sammler jedoch Verständnis hatte, da ihm die qualitative Hebung seiner Sammlung wie der des Museums wichtig war.
Der Schenkungsvertrag von 1904
Dass Simon mit diesen Vorstellungen konform ging, liegt auf der Hand. Hier konnte der Mäzen in Zusammenarbeit mit Bode nicht nur geschmacksbildend wirken, sondern auch ein mögliches Identifikationsschema für andere Sammler und Mäzene bereitstellen. Er durfte sich so nicht nur als aktiver Teil eines Kreises, der kulturelle Akzente setzte, fühlen, sondern wirkte besonders in diesen Bereichen zusammen mit Bode prägend. Simon hatte ein außergewöhnliches Interesse an den verschiedenen Sammlungen der Berliner Museen.
"Ein wirkliches Museum mittelalterlicher Sculptur und Malerei ..."
Völlig untypisch war sein Bemühen, Bode ständig neue Sammler zuzuführen. Simon war nicht nur am Ausbau seiner eigenen Sammlung gelegen und sah im Gegensatz zu fast allen anderen Sammlern die Museen nicht als Konkurrenten beim Ankauf von Kunstwerken an. Vielmehr verband er sein Engagement für die staatlichen Kollektionen mit seinen eigenen Interessen als Sammler, wovon fast immer die Museen profitierten. Immerhin trug Simon auf diesem Weg einiges dazu bei, dass Bode in kurzer Zeit Zugang zu den finanzkräftigen Kreisen vor allem des Berliner Wirtschaftsbürgertums fand und so auch eine überragende Stellung im Akquirieren von privaten Geldern einnehmen konnte. Den Beteiligten war bewusst, aufeinander angewiesen zu sein und voneinander zu profitieren. Dadurch entwickelte sich im Laufe der Jahre ein weitgespanntes Netz von Beziehungen, in dem Simons Position im Bereich der Museen immer mehr an Gewicht gewann.
Noch während darüber diskutiert wurde, welche Kunstwerke in das Kabinett Simon aufgenommen werden sollten, hatte Simon bereits mit dem Aufbau einer zweiten Sammlung - nun unabhängig von Bode - begonnen. Die Kollektion, deren Schwerpunkt auf deutscher und niederländischer Holzplastik des Spätmittelalters lag, umfasste auch alte Möbel, Tapisserien, Gemälde und kunstgewerbliche Gegenstände deutscher, französischer sowie spanischer Provenienz. Diese Sammlung, etwa 350 Nummern, schenkte Simon den Berliner Museen direkt nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, zu einer Zeit also, als vermutlich kein anderer Sammler daran dachte, seinen wertvollen Besitz der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Für die Schenkung stellte Simon nur die Bedingung einer geschlossenen Aufstellung und klaren Kennzeichnung des Stifters im zukünftigen Deutschen Museum. Über die Bedeutung seiner Schenkung für die Museen war sich Simon sehr wohl bewusst; wahrscheinlich hatte er sie bereits beim Aufbau gezielt zusammengestellt, dass sie die Berliner Museumssammlungen sinnvoll ergänzten. Aus diesem Grund nahm er Kunstgattungen, die nicht zur Qualitätshebung der Museen beitragen konnten, wie etwa seine Elfenbeinbildwerke, von der Schenkung aus. Hier zeigen sich die im Laufe der Jahre erworbene Kennerschaft Simons, sein Urteilsvermögen und seine detailgenauen Kenntnisse der Museumsbestände. Wie bereits beim Aufbau der Renaissancesammlung war er bestrebt, auch der zweiten Sammlung einen einheitlichen Stil zu geben. Es kam ihm nicht so sehr auf bekannte Künstlernamen, sondern auf Typenreichtum an. Alfred Lichtwark notierte 1910 begeistert:
Was ein Mensch doch alles ergattern kann, wenn er viel umher kommt und zugreifen kann. Das Erdgeschoß des Palastes im Thiergarten ist ein wirkliches Museum mittelalterlicher Sculptur und Malerei. (Abb.6)
Die Ägyptische und Vorderasiatische Abteilung
Bode nach dem Krieg die Bekanntmachung der zwangsweisen Herausgabe der Tafeln des Genter Altars, dem Herzstück der Berliner Galerie, auf der Grundlage des Versailler Vertrags mit der Ankündigung der zweiten Schenkung Simons. Bode hob hervor, dass der Dank an Simon umso höher einzustufen sei in einer Zeit,
wo alles bei uns in Deutschland zusammenzubrechen scheint, wo die Kunstsammlungen zerschlagen und ins Ausland verschoben werden, wo sich Dr. Simon selbst aus Familienrücksichten von den schönsten ... Stücken seiner holländischen Gemäldesammlung hat trennen müssen, den Mut und die große Gesinnung gefunden hat, wieder eine ... wertvolle Sammlung, die er in zwei Jahrzehnten aus eigenstem Interesse und nach eigenster Wahl erworben hat, den Museen zum Geschenk zu machen und anderen, mutloseren Sammlern mit leuchtendem Beispiel voranzugehen.
Neben der Schenkung der beiden großen Kunstsammlungen und vieler kleinerer Stiftungen für die Abteilungen Wilhelm von Bodes über mehrere Jahrzehnte hinweg (Abb. 8) setzte sich Simon seit dem Ende der 1890er Jahre verstärkt auch für andere Museumsabteilungen ein. Hierzu gehörte sein langjähriges Engagement für die Sammlung für deutsche Volkskunde (vgl. den Beitrag von Erika Karasek), das Berliner Münzkabinett und nicht zuletzt die Ägyptische und Vorderasiatische Abteilung der Museen. Auch hier lässt sich Simons Bemühen erkennen, den jeweiligen Museen solche Stücke zu schenken, die die Direktoren aus dem ordentlichen Ankaufsetat nicht erwerben konnten. Simons Schenkungsverhalten gegenüber den Museen war systematisch durchdacht - ganz im Gegensatz zu dem zahlreicher anderer Stifter, die entweder allein nach ihren persönlichen Vorlieben schenkten oder durch zufällige Umstände diese oder jene Museumsabteilung unterstützen.
Oberflächlich betrachtet stehen seine Schenkungen für die 1885 in der Ägyptischen Abteilung eingerichtete Vorderasiatische Sammlung, aus der 1899 eine eigenständige Museumsabteilung entstand, dazu im Gegensatz. Für sie erwarb Simon eine ganze Reihe der im Kunsthandel greifbaren, vor allem aus Mesopotamien kommenden Artefakte und versuchte, so der neuen Museumsabteilung möglichst viele Sammlungsgattungen zukommen zu lassen. Die Liste der seit den späten 1880er Jahren regelmäßig von ihm gemachten Schenkungen außerhalb der Deutschen Orient-Gesellschaft liest sich denn auch wie ein Spiegel des damaligen Kunsthandelangebots. Die Erklärung für das Verhalten liegt auf der Hand: Der Mäzen wusste nur zu gut um den vergleichsweise kleinen und wenig repräsentativen Bestand der Sammlung, vor allem was Funde aus dem Zweistromland betraf. Hier bestand genereller Nachholbedarf, zumal die mesopotamischen Hochkulturen auf besonderes Interesse stießen, da in ihnen die alttestamentlichen Texte durch spektakuläre Funde, wie sie in Paris oder London zu bewundern waren, lebendig wurden. Zudem suchte Deutschland seit dem Ende des 19. Jahrhunderts durch den Bau der Bagdadbahn seine wirtschaftlichen wie politischen Ansprüche im Osmanischen Reich geltend zu machen. Simons mesopotamische Schenkungen können somit als ein Beitrag zur Förderung der Erkenntnisse über die Vergangenheit und als Bekenntnis zu den kulturpolitischen und wirtschaftlichen Zielen des Reiches verstanden werden. (...)
(Textauszug aus: Matthes, Olaf: Kaufmann - Sammler - Mäzen. James Simon und die Berliner Museen. In: James Simon. Sammler und Mäzen für die Staatlichen Museen zu Berlin. Hrsg. von Peter-Klaus Schuster. Berlin: Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz 2001, S. 8 -18)
Dieser Beitrag beruht auf der Dissertation des Verfassers: Matthes, Olaf: James Simon. Mäzen im Wilhelminischen Zeitalter in der Reihe Bürgerlichkeit, Wertewandel, Mäzenatentum (Bd. 5), Berlin 2000. Alle Zitate und Belege sind dort nachgewiesen.