Frauen - Kloster - Kunst
Als Susanna Pothstock 1470 zur Äbtissin der niedersächsischen Zisterze Wienhausen gewählt wurde, schenkte sie dem Kloster eine Reihe kostbarer Paramente, Zimelien und Bücher:
Die besten Scharlak rohte rökke mit Ermeln.
Die beste dunkelrohte Chor-Cappe.
Etliche blaue und weiße Chorrökke.
den besten Kelch.
Ein vergüldetes und mit kostbaren Steinen
geziertes Crucifix.
Die besten Fahnen hat sie wieder erneuren
und durch eine ihrer Jungfern auffs neue
bemahlen laßen.
Sie hat auch zu Gottes Ehren viele Bücher bey
das Kloster gebracht, deren etliche von den
Brüdern in Hilden, etliche in Zell etliche von
ihren Jungfrauen im Kloster sind geschrie-
ben worden.(1)
Diese Passage zeigt in eindrücklicher Weise, was zahlreiche Publikationen zum weiblichen Klosterwesen in den letzten Jahren thematisiert und belegt haben: Das volkstümliche Klischee der frommen Betschwestern, die hinter hohen Klostermauern ein Leben in völliger Armut, Bescheidenheit und Weltferne führen, muss für das Mittelalter in mancherlei Hinsicht korrigiert werden. Insbesondere in den Frauenstiften des Früh - und Hochmittelalters sammelte sich im Laufe der Jahrhunderte eine Vielzahl hochwertiger Preziosen und Ausstattungsstücke an, die die betreffenden Institutionen zu wahren Schatzhäusern machte.
Doch auch in den Reformorden des Spätmittelalters blieben die familiären Beziehungen der Klosterfrauen in der Regel über die Klausurgrenzen hinweg bestehen und sorgten dafür, dass die Töchter, Nichten und Tanten, die den Schleier genommen hatten, auch im Kloster ein standesgemäßes Leben führen konnten. Dazu gehörte nicht nur die Verleihung von Leibrenten, mit Hilfe derer der karge, von den Ordensregeln vorgeschriebene Klosteralltag annehmlicher gestaltet werden konnte, sondern auch die Ausstattung der Klausurräume mit Wand-, Tafel- und Glasmalereien, Skulpturen, Textilien und anderen Werken der bildenden Kunst.
Kunstwerke aus Frauenklöstern haben in jüngster Zeit verschiedentlich das lnteresse einer breiteren Öffentlichkeit gefunden - allem voran in Gestalt der 2005 in Bonn und Essen gezeigten Doppelausstellung "Krone und Schleier", wo erstmals einem Laienpublikum vor Augen geführt wurde, dass Kunst aus mittelalterlichen Frauenklöstern nicht a priori gleichzusetzen ist mit den gemeinhin mit Epitheta wie "naiv" und "puppenhaft" bedachten "Nonnenarbeiten", sondern auch hochrangige Bildwerke umfasst, die zumeist durch Schenkungen externer Gönner und Gönnerinnen oder im Auftrag einzelner Klosterfrauen in die Frauengemeinschaften gelangten, in Einzelfällen aber auch im Kloster selbst entstanden sein dürften. Die Ausstellung hat aber auch gezeigt, dass mit herkömmlichen Kategorien wie "Hochkunst" und "Kunsthandwerk" den Bildwerken aus Frauenklöstern nicht beizukommen ist und die wesentlichen visuellen und künstlerisclien Leistungen mittelalterlicher Klosterfrauen damit nur unzulänglich erfasst werden. Bilder fungierten in den mittelalterlichen Frauenklöstern als Kommunikationsmittel par excellence, sei es im Kontakt zwischen Kloster und Welt, sei es als Medium geistlicher Unterweisung oder aber als Mittler zwischen Gott und seinen Dienerinnen. Bilder dienten als Gegenüber im Gebet und als Tröster in Zeiten der Krise, wobei die Zwiesprache mit dem Dargestellten bei den Beterinnen nicht selten zu visionären Erlebnissen führte, die ihrerseits wieder aut reale Bildfindungen rückwirken konnten. Bilder erinnerten die Nonnen ferner daran, wem sie das betreffende Bildwerk, aber auch, wem sie die Gründung des Klosters zu verdanken hatten und wer ihr Patron war - sei es im weltlichen oder geistlichen Sinne. Bilder führten den Klosterfrauen vor Augen, an was sie zu glauben hatten, doch motivierten sie die Rezipientinnen auch zu individuellen Betrachtungsweisen, die erheblich von amtskirchlichen Frömmigkeitspraktiken abweichen konnten. Bilder, die im Kloster selbst hergestellt wurden, vermitteln vielleicht am unmittelbarsten die Spiritualität des jeweiligen Konvents, doch gestatten auch Objekte, die ins Kloster geschenkt wurden, wertvolle Einblicke in die Geisteswelt mittelalterlicher Nonnen, und zwar nicht zuletzt dadurch, dass sie einer Tradierung für wert befunden wurden und eine kontinuierliche Rolle im Leben des Konvents spielten.
ln Kombination mit dem Katalog der Ausstellung "Krone und SchIeier" möge der vorliegende Tagungsband davon zeugen, dass die aktuelle Forschung zur Kunst mittelalterlicher Frauenklöster nichts mehr gemein hat mit der von Renate Kroos so eindrücklich geschilderten Situation in den 1950er Jahren.
(Einleitung, ebd. S.11-13)
1 Chronik und Totenbuch des Klosters Wienhausen, eingeleitet und erläutert von Horst Appuhn, Wienhausen 1986, S. 26