Erkenntnisse aus Ikonografischen Quellen
Das archäologische Material, zumeist aus Gräbern stammend, beleuchtet nur schlaglichtartig eine lange Zeitphase, in der die Grundlagen für die Aufnahme des Buddhismus in den Oasenstadtstaaten der Seidenstraßen im Tarim-Becken gebildet worden sind. Zunächst scheint nicht klar, warum der Buddhismus ein so ausschlaggebendes Kulturelement für das vorislamische Tarim-Becken und dann auch für China und das gesamte Ostasien werden sollte. Eine Antwort könnte sein, dass es vor allem die ethnische Vielfalt in den entstehenden Oasenstaaten des Tarim-Beckens war, die dem Buddhismus eine solche Blütezeit verschaffte.
Als Erlösungsphilosophie stand der Buddhismus, dann vor allem in seiner Schulrichtung des Mahayana, allen Völkern und Ethnien offen; er kümmerte sich nicht um unterschiedliche Sprachen oder Lebensweisen. Die nicht unproblematischen Klimaverhältnisse mit sehr kalten Wintern und glühend heißen Sommern sowie die Dauergefahr von Raubüberfällen von Reiternomaden und auch „normalen" Räuberbanden auf Karawanen, Oasen und Städte mögen den psychologischen Druck bzw. die Hoffnung auf eine Erlösung von diesen Unwägbarkeiten noch erhöht haben. Traditionell vorhandene Religionsvorstellungen und unterschiedliche Götter konnten relativ problemlos in das buddhistische Pantheon übernommen werden. Als kurzes, aber prägnantes Beispiel sei genannt, dass wir noch auf einer tangzeitlichen Wandmalerei im buddhistischen Höhlenkloster von Dunhuang, in Höhle 158, im mittleren 7. Jh. n. Chr. eine Totenklage um den in das Nirwana eingetretenen Buddha sehen können, auf der verschiedenste Völkerschaften Zentralasiens, gekennzeichnet durch unterschiedliche Trachten und Kopfbedeckungen, Buddhas Tod dadurch beklagen, dass sie sich mittels eines Dolches Verletzungen an Ohren, Gesicht und Armen selbst zufügen. Derartiges berichtet uns schon Herodot im 5. Jh. v. Chr. von skythischen, also reiternomadischen Völkern im westlicheren Steppenraum Asiens für Begräbnisfeierlichkeiten von Stammeshäuptlingen. Dasselbe Motiv findet sich auch für das 6.-7. Jh. n. Chr. auf einer inhaltlich ähnlich gestalteten Szene auf einem Wandmalereifragment aus einer buddhistischen Kulthöhle in Kizil an der nördlichen Route der Seidenstraße bei den so genannten Tocharern des Reiches von Kuqa. Selbst im sogdischen Kulturbereich Westturkistans finden wir dieses Totenklagemotiv im 7. Jh. n. Chr. auf einer Wandmalerei in einem Raum in der sogdischen Stadtanlage von Pendschikent im heutigen Tadschikistan. Dieses Beispiel sei hier deshalb angeführt, weil es in seinem Motiv auf eine wesentlich vor dem Buddhismus liegende Zeit verweist. Es zeigt weiterhin, wie altes nomadisches Gedankengut sich noch in buddhistischer Zeit in Erinnerung ruft.
Zwei Beispiele
Bronzestatuette eines knienden Kriegers (1. Jt. v. Chr.)
Schnell lag nahe, den kleinen Bronzekrieger mit den Sakas in Verbindung zu bringen, wusste man doch auch aus frühen chinesischen Quellen, dass Saken über das Karakorum-Gebirge schon in frühhistorischer Zeit bis hin nach Hotan im Süden der Seidenstraßen und nach Maralbaschi sowie Kizil im Norden des TarimBeckens eingewandert waren. Sie brachten eine ostiranische Sprachvariante mit, die sich in schriftlicher Form und in indischer Brahmi geschrieben, dann in Hotan noch fast bis in das 10.Jh. n. Chr., zumindest im Westen und Südwesten des Tarim-Beckens, erhalten hatte. Formaliter erscheint eine Deutung des kleinen Kriegers aufgrund der hohen, spitzen Kopfbedeckung als Sake verlockend. Doch wer weiß wirklich, ob sich derartige, hohe und spitze Mützen tatsächlich nur bei Saken fanden? Im äußersten Westen Eurasiens, auf dem Gebiet der heutigen Türkei, waren es die Phryger, die derartige Mützen noch in achämenidischer Zeit trugen; ja in Kommagene, im Osten der heutigen Türkei, wurden noch in hellenistischer Zeit derartig hohe Mützen von den dortigen iranisch-hellenistischen Herrschern getragen. Im Deutschen trägt diese Mützenform, nicht zuletzt wegen ihrer Verbreitung bei den Phrygern, den Namen „phrygische Mütze"; es kommt aber niemand ernstlich auf den Gedanken, nun die Phryger direkt mit der hier gezeigten Bronzestatuette in Verbindung zu bringen. Darüber hinaus ist außerordentlich fragwürdig, ob es in der Antike per se möglich war, einzelne Völkerschaften nach Eigentümlichkeiten ihrer Bekleidung, in diesem Falle nach einer Kopfbedeckung, zu benennen. Wenn überhaupt, dann müsste man den Bronzekrieger eher mit jenen Trockenmumien aus Gräbern im Tarim-Becken in Verbindung bringen. Dort wurden in einigen Frauengräbern ähnliche hohe Kopfbedeckungen gefunden. Diese hohen Kopfbedeckungen, zum Teil sogar, ähnlich wie bei dem angesprochenen Krieger, mit Krempe ausgestattet, kommen dort aber nur bei wenigen Frauen vor, was möglicherweise auf deren Sonderstatus hinweist. Doch über den gesellschaftlichen Rang einiger durch Grabbeigaben besonders betonter Frauen der ausgehenden Bronzezeit bzw. dem Beginn der Eisenzeit des Tarim-Beckens wird noch diskutiert. Selbst der Vergleich mit der sehr hohen spitzen Mütze aus einem den Saken zugeschriebenen Häuptlings- oder Schamanengrab in Issyk in Kasachstan des 5. vorchristlichen Jahrhunderts bringt uns im vorliegenden Fall nicht wesentlich weiter, sind derartige Mützen doch von sehr unterschiedlichen - häufig nomadischen - Völkerschaften quer über den eurasischen Kontinent über einen sehr langen Zeitraum hinweg getragen worden. Die Frage, ob der kniende Bronzekrieger nun einen Saken darstellt, kann daher bislang nicht beantwortet werden.
Grab des 3.-4. Jh. n. Chr. aus Yingpan
Den Sarg - mit Blumen und sich kräuselnden Blättern bemalt - bedeckte eine Decke, in die ein Löwe eingewebt war. Der Mann selbst war im Sarg in ein rotes, wollenes Gewand gehüllt, das gelbe Stickereien aufwies. An einer gelben Schärpe um die Hüften trug er einen Duftbeutel. Die Grabbeigaben bestanden aus einem Halsschmuck, Pfeil und Bogen, einer Glasschale und einem hölzernen Kamm. Die Leiche ruhte mit dem Kopf auf einem Kissen, weshalb man dem Mann sicherlich nicht unberechtigt einen hohen gesellschaftlichen Rang zuschrieb und ihn als reichen sogdischen Kaufmann, vermutlich aus dem Raume des heutigen Tadschikistan oder Usbekistan stammend, identifizieren wollte.
(ibid., S. 56)