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Völkerrechtliche Praxis

Symbolcharakter

109 Staaten hatten in den vergangenen 36 Jahren die UNESCO-Konvention vom 14. November 1970 "über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut " ratifiziert. Dabei hat sich eine völkerrechtliche Praxis herausgebildet, die den Vertragsstaaten bei der nationalen Umsetzung einen genügend großen Handlungsspielraum lässt. Es bleibt den Beitrittsländern selbst überlassen, in welcher Form die in der Konvention festgesetzten Schutzmaßnahmen in das nationale Recht umgesetzt werden. Diese Praxis und die  äußerst langwierigen Ratifizierungsverfahren haben der UNESCO-Konvention von 1970 eine gewisse Wirkungslosigkeit beschert. Ihr Symbolcharakter verrät ihren eigentlichen Nutzen:  die Harmonisierung international rechtlicher Standards. 

Die UNESCO selbst hat keinerlei Einfluss auf die nationale Auslegung sowie Umsetzung und verfügt über keinerlei Sanktionsmöglichkeiten. Diese Tatsache führt dazu, dass Beitrittsländer mit ihren nationalen Gesetzen und Regelungen die maßgeblichen Ziele der Konvention bisweilen sogar konterkarieren können. Zentrale Aspekte der Konvention unterliegen einer unterschiedlichen Bewertung. Dies führt zwangsläufig zu sehr unterschiedlichen Regelungen.

Auflistung schützenswerter Kultur

Auch die für den Rückgabeanspruch höchst bedeutsame Frage, welche Kulturgüter als schützenswert zu erachten sind, wird nach nationalem Recht sehr unterschiedlich gehandhabt.

Art. 5 der  UNESCO-Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten lediglich zur Aufstellung und Führung eines Verzeichnisses desjenigen wichtigen Kulturguts, dessen Ausfuhr das nationale kulturelle Erbe merklich verringern würde.

Art. 5 lit. b)

Um den Schutz ihres Kulturguts vor unzulässiger Einfuhr, Ausfuhr oder Übereignung sicherzustellen, verpflichten sich die Vertragsstaaten, je nach den Gegebenheiten ihres Landes in ihren Hoheitsgebieten zum Schutz des kulturellen Erbes eine oder mehrere Dienststellen einzurichten, soweit solche nicht bereits vorhanden sind, die mit qualifiziertem und zahlenmäßig ausreichendem Personal ausgestattet sind, das in der Lage ist, folgende Aufgaben wirksam zu erfüllen:

(...)

b) auf der Grundlage eines nationalen Bestandsverzeichnisses des zu schützenden Gutes Aufstellung und Führung eines Verzeichnisses des wichtigen öffentlichen und privaten Kulturguts, dessen Ausfuhr das nationale kulturelle Erbe merklich verringern würde; (...)

In Deutschland handelt es sich dabei um das Verzeichnis des national wertvollen Kulturgutes und das Verzeichnis national wertvoller Archive, die auf der Grundlage des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung vom 6. August 1955 (BGBl. I S. 501), neugefasst durch Bekanntmachung vom 8. Juli 1999 (BGBl. I S. 1754) und zuletzt geändert durch Artikel 71 der Verordnung vom 29.10.2001 (BGBl. I S. 2785), aufgestellt wurden. Aus Gründen der Rechtssicherheit - diese war  auch schon bei der Umsetzung der europäischen Kulturgutschutzrichtlinie maßgeblich -  müssen die aufgelisteten Gegenstände individuell identifizierbar in öffentlich zugänglichen Verzeichnissen erfasst sein.

Archäologische Kulturgüter

In der Begründung  zum "Gesetzentwurf  zur Ausführung des UNESCO - Übereinkommens vom 14. November 1970 ... " unter B. Besonderer Teil zu Artikel 1 (Kulturgüterrückgabegesetz) wurde für archäologische Kulturgüter der Bedarf  einer zusätzlichen  Regelung betont, da es sich bei illegaler Ausgrabung und Verbringung von archäologischen Gegenständen um einen "wissenschaftlich hochsensiblen Bereich" handele:

"Hinsichtlich archäologischer Kulturgüter bedarf es allerdings einer zusätzlichen Regelung. Da die Erfassung von Gegenständen erst möglich ist, wenn diese bekannt sind, archäologische Gegenstände, die illegal verbracht werden, aber häufig aus illegalen Grabungen stammen und folglich den Behörden zuvor noch nicht bekannt sind, wäre es absurd, in diesem Bereich stets eine vorherige Verzeichnung zu verlangen. Andererseits kann auf eine sinnvolle Rückgaberegelung hinsichtlich illegal ausgegrabener Bodenfunde auch nicht völlig verzichtet werden. Abgesehen davon, dass das UNESCO-Kulturgut-Übereinkommen insofern keine Ausnahme vorsieht, diese Kulturgüter also zu erfassen sind, handelt es sich bei illegaler Ausgrabung und Verbringung von archäologischen Gegenständen um einen wissenschaftlich hoch sensiblen Bereich. Mit der Entfernung vom Fundort und der Verbringung ins Ausland verliert der Herkunftsstaat nicht nur einen bedeutsamen Kulturgegenstand. Vielmehr werden der Fundzusammenhang der Ausgrabung zerstört und dadurch die aus dem Fund zu gewinnenden Erkenntnisse über Kultur und Geschichte unmöglich gemacht. Um diesem wissenschaftlich so sensiblen Bereich Rechnung zu tragen, musste daher eine Lösung gefunden werden, um die Rückführung illegal ausgegrabenen Kulturguts dennoch zu ermöglichen. Dazu dient die Ausnahme, dass bei archäologischen Gegenständen die Bezeichnung als besonders bedeutsam für die Rückgabe auch dann noch ausreicht, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Bekanntwerden des Fundes erfolgt. Etwaige damit verbundene Unsicherheiten für den Handel mit archäologischen Gütern sind zumutbar und hinzunehmen, da diese Sonderregelung nur für den öffentlich-rechtlichen Rückgabeanspruch gilt, der bei Gutgläubigkeit des Rückgabeschuldners eine Entschädigung vorsieht." (ibid., S.32)

Archäologische Bodenfunde ohne Provenienz unterliegen der Ausnahmeregelung: Ihre Bezeichnung als "besonders bedeutsames Kulturgut" im Rahmen einer sinnvollen Rückgaberegelung bzw. Rückführung - da nicht vollständig darauf verzichtbar -  wird auch dann noch als ausreichend erachtet, wenn diese innerhalb eines Jahres nach Bekanntwerden des Fundes erfolgt, da vorab ohne jede Kenntnis vom individuell identifizierbaren Einzelobjekt logisch schon nicht durchführbar.

Das Auftreten etwaiger damit verbundener Unsicherheiten für den Handel mit archäologischen Gütern scheint durchaus zumutbar gar hinnehmbar. Demnach sieht der Gesetzentwurf Restriktionen anscheinend allein für die Fälle einer Geltendmachung von Rückgabeforderungen vor, d.h. im Falle eines tatsächlichen Herkunftsnachweises oder einer Auflistung.

Die UNESCO selbst hat keinerlei Einfluss auf die nationale Auslegung, so dass auch in diesem Fall zentrale Aspekte der Konvention einer unterschiedlichen Bewertung unterliegen.

"Proforma Ratifizierung" ...

"Wem es um den Erhalt unseres gemeinsamen archäologischen Erbes geht und nicht bloß um eine kosmetische Proforma-Ratifizierung internationaler Verträge, wird um eine Änderung der bestehenden  Beweislastregelungen nicht herumkommen" ,

so bereits Herr Dr. Michael Müller-Karpe in seiner Stellungnahme zu dem "Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut", in: IKA, Ausgabe 65/66, S.17.

 

Fortsetzung: UNIDROIT ...

 

© Ulrike-Christiane Lintz, 01.03.2007