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Das Hamburger Stadtsiegel-Urteil

Gutgläubiger Erwerb durch öffentliche Versteigerung ...

Der Bundesgerichtshof hatte im sog. Hamburger Stadtsiegel-Urteil (BGH Urt. v. 5.10.1989 - IX ZR 265/88 (Köln), NJW 1990 899 ff = JuS 1990, 411) über einen in einer öffentlichen Versteigerung gutgläubigen Eigentumserwerb an gestohlenem Kulturgut zu entscheiden. (vgl. Hipp, S.158-160, S.361 ff.)

(vgl. Bernecker, Roland: Die internationale Diskussion zur UNESCO-Konvention über "Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut" von 1970, in: Mitteilungsblatt. Museumsverband für Niedersachsen und Bremen e.V., Nr.61, Okt. 2001, S.61-64)

Second-prize winner (shared)  "We will never know":

Design and concept: Joe Chan; Gianna Rey, Alex Ciociola, Stacey Sarakinotis. Photography: Joe Chan

SAFE/Saving Antiquities for Everyone, Inc.

Die Freie und Hansestadt Hamburg hatte die Inhaberin eines Antiquitätengeschäfts gem. § 985 BGB auf Herausgabe eines aus dem 14. Jahrhundert stammenden Siegeltypars nebst Aufbewahrungstasche verklagt. Es handelte sich um das Original des IV. Hamburger Stadtsiegels, das nachweislich bereits 1306 zum Siegeln einer Urkunde benutzt worden war. Im Zuge der Einverleibung der Stadt Hamburg in das Französische Kaiserreich war es außer Gebrauch gesetzt und wurde in der Kämmerei unter Verschluss gehalten. Es wurde sodann zur Prüfung der Echtheit von Urkunden verwandt und in der Folgezeit in die Petschaft-Sammlung des Stadtarchivs der Stadt Hamburg aufgenommen und inventarisiert. Das Archivgut wurde im Jahre 1944 kriegsbedingt in den Salzstock Grasleben ausgelagert.  Als das Archivgut 1945 unter britischer Bewachung rückgeführt wurde, bemerkte man, dass die Kiste - diese diente u.a. auch zur Aufbewahrung das Stadtsiegels, aufgebrochen und daraus Teile, darunter auch das Siegel entwendet worden waren.

Die Beklagte erwarb dieses Siegel mit Aufbewahrungstasche 1986 auf einer Auktion. Der Auktionskatalog  war zahlreichen Museen - auch in Hamburg - sowie dem BKA zugänglich. Auf die Auktion wurde in überregionalen Tageszeitungen hingewiesen. Ein Ehepaar erwies sich als Auftraggeber des für die Versteigerung von Kunstgegenständen und Antiquitäten öffentlich bestellten und vereidigten Auktionators. Dieses hatte den Stempel viele Jahre zuvor auf einem Trödelmarkt in Braunschweig erstanden. Die Beklagte bot ihrerseits das Siegelpaar im Jahre 1987 auf einer Kunstmesse in Köln an.  Die Klägerin wurde auf das angebotene Siegel aufmerksam und erhob sodann Klage.

Der Bundesgerichtshof wies in diesem Fall die Herausgabeklage der Freien Hansestadt Hamburg ab und begründete dies wie folgt: 

Die beklagte Antiquitätenhändlerin habe an dem abhanden gekommenen Stadtsiegel auf einer freiwilligen und für jedermann zugänglichen und öffentlich bekanntgemachten Versteigerung durch einen hierzu öffentlich bestellten Auktionator gutgläubig Eigentum erworben. § 935 Abs.2 BGB lasse einen gutgläubigen Eigentumserwerb auch an gestohlenen, verlorengegangenen und sonst abhanden gekommenen Sachen zu, soweit diese im Wege öffentlicher Versteigerung übereignet werden.

Nach der gesetzlichen Definition der öffentlichen Versteigerung gem. § 383 Abs.3 BGB habe eine Versteigerung durch einen Gerichtsvollzieher oder einen zur Versteigerung befugten anderen Beamten oder öffentlich angestellten Versteigerer öffentlich, mithin für jedermann zugänglich, zu erfolgen.

Soweit die in § 383 Abs.3 BGB genannten Voraussetzungen erfüllt seien, werde auch ein Erwerb in freiwilliger Versteigerung gem. § 935 Abs.2 BGB geschützt. Gleiches gelte für die im Gesetz nicht ausdrücklich genannten Fälle einer öffentlichen Versteigerung.

Das Interesse des oftmals wirtschaftlich von der Veräußerung betroffenen Dritten an der Wirksamkeit des Steigerungsverkaufs fordere eine Bevorzugung des gutgläubigen Erwerbers. Dem Eigentümer werde somit der Verlust seiner Sache und das damit verbundene Risiko - mit der ihm gegen den Verkäufer zustehenden Ersatzforderung leer auszugehen - aufgebürdet.

Dies entspräche der vom Gesetz beabsichtigten Privilegierung des gutgläubigen Erwerbers in der öffentlichen Versteigerung und halte sich innerhalb der gesetzlich möglichen Schranken der Eigentumsgarantie nach Art.14 Abs.1 GG.

Über die öffentliche Versteigerung kann demnach entgegen der grundsätzlichen Wertung der §§ 929 ff BGB gutgläubig Eigentum an gestohlenen oder abhanden gekommenen Sachen erworben werden. Der Bundesgerichtshof sah dies insoweit in Einklang mit Art.14 Abs.1 GG als in der öffentlichen Versteigerung der Verkehrsschutz Vorrang vor den Eigentümerinteressen genieße.

 

Fortsetzung: Code of Ethics ...

 

© Ulrike-Christiane Lintz, 01.03.2007