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Technologie und Kulturelles Erbe

Zur Verhinderung der Zerstörung und Plünderung von Kulturgütern in Kriegszeiten wurden seit Mitte des 18. Jahrhunderts zahlreiche Versuche unternommen, den kriegsrechtlichen Kulturgutschutz in internationalen Abkommen zu verankern. Durch die Haager Landkriegsordnung von 1907 (RGBlL. 1910, 107 ff) wurde auf diesem Gebiet ein erster Erfolg erzielt. Den bisherigen Abschluss dieser Entwicklung bildet das "Zweite Protokoll zum Haager Übereinkommen von 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten" (Second Protocol to the Hague Convention of 1954 for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict). (vgl. Hipp, Anette: Schutz von Kulturgütern in Deutschland, Schriften zum Kulturgüterschutz, Berlin, New York 2000, S. 22)

Besonders gefährdet sind Kulturgüter im Krieg, wie zuletzt die Erfahrungen im Irak bestätigen. Trotz internationaler Vereinbarungen und massiver Warnungen seitens der UNESCO vor drohenden Plünderungen der bedeutenden Museen im Falle eines militärischen Angriffs, hatten die USA versäumt, dem Nationalmuseum Schutz zu gewähren. Die Folgen sind längst bekannt. Im Irak hatten - nach den Behauptungen des US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld - nicht nur marodierende Einzeltäter die Vitrinen ausgeräumt - sondern auch gut organisierte Hehlerbanden ganz gezielt spezifische Objekte entwendet. Einige dieser geraubten Kulturgüter tauchten wenige Monate später in London, Paris und den USA auf oder blieben bis heute verschwunden. Die Raubgrabungen gehen unvermindert weiter. (vgl. IKA, Ausgabe 65/66, S. 3-4)

 

Umm-al-Agarib, Südirak, Foto © Carabinieri T.P.C. Italia
Umm-al-Agarib, Südirak, Foto © Carabinieri T.P.C. Italia

Luftaufnahmen von Raubgrabungsgebieten im Südirak - Carabinieri T.P.C. Italia

Welche irreparablen Schäden durch diese organisierten Plünderungen nicht nur für die Forschung sondern auch an unserem gemeinsamen archäologischen Erbe entstehen, zeigen die nachfolgenden Luftaufnahmen von Raubgrabungsgebieten im Südirak, die von den Carabinieri T.P.C. Italia nach dem letzten Krieg im Irak aufgenommen wurden.

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Die italienischen Carabinieri verfügen über eine Einheit, die speziell den Schutz der Kulturgüter im Inland sicherstellt. Im Rahmen einer internationalen Kulturgüterschutz- Konferenz zum Thema «Haager Abkommen und Schutz von Kulturgut im bewaffneten Konflikt» vom 3.-5. März 2005 in Buenos Aires (Argentinien) stellte Kommandant Brigadegeneral Dr. Ugo Zottin die Arbeiten der Carabinieri anlässlich verschiedener Konflikte in Europa und im Irak vor. Italien stellte bei diesen Konflikten im Rahmen friedensfördernder Massnahmen Carabinieri als Fachleute zum Schutz von Kulturgütern zur Verfügung. Dies war etwa zwischen Oktober 2002 und Mai 2003 im Kosovo der Fall, wo in Form von Informationen, Bild- und Filmmaterial zu Stätten von historischem Interesse Grundlagen für ein Kurzinventar zusammengetragen wurden.

Der letzte grosse Einsatz betraf den Irak. Nach den Plünderungen und Zerstörungen im Nationalmuseum in Bagdad sowie nach Raubgrabungen bei archäologischen Fundstellen galt es zwischen Juli 2003 und Januar 2005 möglichst rasch und in Zusammenarbeit mit den lokalen Verantwortlichen die gefährdeten Stätten zu inventarisieren. So wurde eine Datenbank zu 321 archäologischen Fundstellen aufgebaut. Durch illegale Ausfuhr gefährdete archäologische Objekte mussten erfasst und dokumentiert werden; gleichzeitig wurde das örtliche Personal geschult. Im Weiteren wurde der Schutz der Grabungsstätten organisiert. In der fraglichen Periode wurden beispielsweise 48 Personen festgenommen, die es auf den Raub von Kulturgütern abgesehen hatten. (Zit.: Zottin, Ugo: Inventario PBC dei Carabinieri, in: KGS-PBC-PCP Forum 6/2005 S. 70)

Zum Schweigen verurteilte Zeugen einer Kultur

Gefährdet sind Kulturgüter jedoch nicht nur in Kriegszeiten, sondern überall dort, wo sich die Staatsgewalt für den Kulturgutschutz als zu schwach oder Gesetze als zu liberal erweisen. Kulturgüter gewinnen im internationalen Handel eine immer grössere Wertschätzung. Ihre Einzigartigkeit und Ästhetik macht sie zu begehrten Sammelobjekten, steuerliche Anreize zeichnen sie aus als lohnende Kapitalinvestitionen. Nebenbei entwickelte sich ein gigantischer Schwarzmarkt für Hehlerware. Der illegale Handel mit geraubtem Kulturgut gehört heute neben dem Drogen- und Meschenhandel zu den lukrativsten kriminellen Geschäften. Plünderungen und Raubgrabungen lohnen sich jedoch nur solange auf dem Markt eine Nachfrage besteht und Sammler dazu bereit sind, hohe Summen für außergewöhnliche Kunstgegenstände zu zahlen, selbst dann, wenn es sich ganz offensichtlich um Hehlerware handelt.
Isin / Südirak - Raubgräberloch, bisweilen bis zu zehn Meter tief und in einen unterirdisch gegrabenen Stollen mündend, Foto © Carabinieri T.P.C. Italia
Isin / Südirak - Raubgräberloch, bisweilen bis zu zehn Meter tief und in einen unterirdisch gegrabenen Stollen mündend, Foto © Carabinieri T.P.C. Italia

Wer alleine den verarmten Bauer verantwortlich macht, dem die Möglichkeit genommen wurde, seine Familie auf anständige Weise satt zu bekommen, macht es sich zu einfach. Fest steht: Ohne einen Markt für illegal Ausgegrabenes, gäbe es keine illegalen Ausgrabungen.

Laut der Business Week sind die Preise für Antiken und Grabungsgegenstände in den Jahren 2005 und 2006 um 25 % angestiegen. Der Umsatz im Kunsthandel beträgt zur Zeit weltweit ca. 20 Mrd. Dollar. Sotheby's hat im Jahre 2004 insgesamt 2.694 Milliarden US-Dollar umgesetzt, d.h. eine 59%ige Steigerung gegenüber dem Vorjahr. Nach Schätzungen von Interpol werden im illegalen Handel mit geraubtem Kulturgütern jährlich rund 4,5 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Die UNESCO schätzt den Umsatz weitaus höher: rund 6 Milliarden US-Dollar. Ein Großteil davon betrifft die Güter aus Raubgrabungen. (vgl. IKA, Ausgabe 65/66, S.4)

 

© Ulrike-Christiane Lintz

Photography, design and concept: Evangelia Kranioti © 2006 SAFE/Saving Antiquities for Everyone, Inc.
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