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Journal des Malers Ludwig York Choris

Im Jahre 1986 fand Donald Angus, ein Kunstsammler aus Honolulu, das Tagebuch von Ludwig Choris (1795-1828) in der Bbliothèque de la Sainte-Geneviève in Paris. In jenem imposanten, dem Panthéon gegenüber gelegenen Gebäude hatte dieses Manuskript jahrzehntelang Staub angesammelt und war nur einmal in einer Notiz im Guide to Materials for American History in the Libraries and Archives of Paris (1932) aufgetaucht, um gleich wieder in Vergessenheit zu geraten.

Das Tagebuch, das die Weltumseglung der russischen Brig Rurik oder Riurik (1815-1818) und die auf die Rükkehr nach St. Petersburg folgenden Monate umfasst, enthält indessen ene Menge Einblicke, die ein breiteres Publikum interessieren dürften. Choris war wohl einer der qualifiziertesten Zeichner und Maler, die um die Erde segelten und verdient es, nicht nur in Hawai'i bekannt sein. Sein Tagebuch ergänzt in velfältiger Hinsicht seine bildlichen Darstellungen und lässt den jungen Künstler erst richtig vor unseren Augen erscheinen.

Das Tagebuch des Zeichners und Malers Ludwig Chores, das die Weltumseglung der russischen Brig Rurik oder Riurik und die auf die Rückkehr nach St. Ptersburg folgenden Monate umfasst; angefangen am 16. Juli 1815, Abb. ebd., S. 21
Das Tagebuch des Zeichners und Malers Ludwig Chores, das die Weltumseglung der russischen Brig Rurik oder Riurik und die auf die Rückkehr nach St. Ptersburg folgenden Monate umfasst; angefangen am 16. Juli 1815, Abb. ebd., S. 21

Bis jetzt war wenig über Ludwig Choris (Ludovik oder Login Andrewitsch Choris) bekannt. Die Nouvelle Biographie générale depuis les temps les plus reculés jusqu'a nos jours hält fest, dass er am 22. März 1795 in der ukrainischen Stadt Yekaterinoslaw, dem heutigen Dniepropetrovsk, geboren wurde. Demgegenüber bezeichnet Choris selbst im Tagebuch den 22. Mai als seinen Geburtstag.

Gemäss Adelbert von Chamisso, dem deutschen Romantiker französischer Abstammung, der an der Weltreise teilnahm, war seine Familie deutsch, was auch die Nouvelle Biographie bestätigt. Der Vater von Choris bekleidete die Stelle eines Dozenten an der im nordöstlichen Teil der Ukraine und ungefähr 150 km von Yekaterinoslaw gelegenen Universität Kharkov. Er und seine Frau verstarben, als Choris noch ein kleines Kind war. Klaus Mehnert, der in Russland geborene bekannte Publizist deutscher Abstammung, hält in The Russians in Hawai'i 1804-1818 (1939) fest, dass er in der Bibliothek der Familie Wicox auf der hawaiischen Insel Kaua'i eine Sammlung von Briefen von und über Choris fand. Diese Briefe, sechs auf deutsch und einer auf französisch geschrieben, stellen einen Teil der Korrespondenz zwischen Choris und seinem engen Freund J. Wehrs dar. Aus ihnen geht hervor, dass der verwaiste Choris vom Titularrat J. Matthes, einem Dozenten für Zeichnen an der Universität Kharkov, in sein Heim aufgenommen wurde.

Als Matthes nach St. Petersburg übersiedelte, nahm er Choris mit. In der neuen Kapitale des russischen Reiches erhielt der Junge eine ausgezeichnete Ausbildung. Als Graf Nikolai Petrowitsch Rumanzoff oder Rumiantsev, Russlands ehemaliger Kanzler, eine Expedition ausrüstete, um vom Pazifik her die Nord-West Passage, den kürzesten Weg von Europa nach Asien, zu erforschen, verschaffte Matthes seinem Schützling die Stelle des offiziellen Zeichners und Malers. Choris war damals nur zwanzig Jahre alt, hatte aber bereits als Künstler und Naturforscher an der Kaukasusreise des Botanikers Baron Friedrich August Marschall von Bieberstein, teilgenmmen, was vermutlich ebenfalls Matthes ermöglicht hatte.

Choris, dessen Name wohl mit einem deutschen ch ausgesprochen wurde, gilt heute allgemein als Franzose. Dieser Irrtum lässt sich darauf zurückführen, dass er seine beiden bekannt gewordenen Werke Voyage pittoresque autour du monde (1822) und Vues et paysages des régions équinoxiales (1826) in Paris publizierte. Die letzten Seiten des Tagebuchs decken die Gründe auf, die ihn im Jahre 1819 bewogen, in die französsche Metropole zu ziehen. 1827 ging er dann nach New Orleans und anschliessend nach Mexiko, um im Auftrag des Musée des Jardins des Plantes als Korrespondent Pflanzen zu malen und zu sammeln.

Aus dem  Tagebuch des Zeichners und Malers Ludwig Chores, das die Weltumseglung der russischen Brig Rurik oder Riurik und die auf die Rückkehr nach St. Ptersburg folgenden Monate umfasst, Freitag 16. Juli 1815, Abb., ebd., S.29
Aus dem Tagebuch des Zeichners und Malers Ludwig Chores, das die Weltumseglung der russischen Brig Rurik oder Riurik und die auf die Rückkehr nach St. Ptersburg folgenden Monate umfasst, Freitag 16. Juli 1815, Abb., ebd., S.29

Am 21. März 1828 wurde Choris auf dem Weg von Vera Cruz nach Galapa von Räubern überfallen und getötet. Der grosse Künstler wurde nur dreiunddreissig Jahre alt. Eine französische Übersetzung des offiziellen Berichts über diesen traurigen Vorfall findet sich in den Papieren von Choris und ist auch in diesem Buch abgedruckt.

Was Hawai'i anbelangt, so stellen die in Wasserfarben gehaltenen Lithographien, die Choris in Voyage pittoresque und Vues et paysages veröffentlichte, ein grosses Vermächtnis der Weltumseglung der Rurik dar und gehören zu den schönsten Illustrationen jenes Himmelstrichs. Nicht von ungefähr widmete der Künstler das zweite der obengenannten Bücher Alexander von Humboldt. Die beiden Porträts von König Kamehameha, dem Krieger und Staatsmann, der die acht Hauptinseln des Archipels unter seiner Herrschaft vereinigte, sind historisch bedeutend und werden heute gerne an hawaiianischen Feierlichkeiten gezeigt. Weitere Werke, wie das Porträt von Königin Ka'ahumanu, die Ansicht des Hafens von Honolulu mit dem Fort, Darstellungen von Hulatänzern und Hulatänzerinnen, sowie Illustrationen von Kunstgegenständen, Pflanzen und Früchten, sind ebenfalls von unschätzbarem Wert.

Choris wird auch in Erinnerung bleiben als einer der talentiertesten Künstler, die je San Francisco darstellten. Seine Bilder und Zeichnungen sind übrigens die letzten, die von dieser Stadt gemacht wurden, als sie noch ein verlorener Aussenposten des spanischen Ober- oder Neu-Kaliforniens (Alt California) war. (...)

Das Tagebuch enthüllt die Dimension dieses Wirkens. Choris verfertigte nicht weniger als 128 Skizzen und Zeichnungen. Er malte weitere 35 Porträts, Profile und Szenen im privaten Auftrag, oder überreichte sie als persönliche Geschenke auf der Reise gewonnenen Freunden.

Das Tagebuch vermittelt auch neue Einblicke in eine der letzten Entdeckungsexpeditionen rund um die Welt. Der Leser nimmt unmittelbar an der Reise teil, wie sie sich einem begnadeten Künstler darstellte. Diese Schrift ergänzt somit auf das beste das bildliche Werk von Choris. Für den Wissenschaftler und Gelehrten ist es eine Fundgrube, und im übrigen finden einige Vorfälle und Umstände Erwähnung, die man im Logbuch des Schiffes und in Kotzebues Entdeckungs-reise in die Süd-see und nach der Beringstraße (1828) vergeblich sucht  (...)"

 

(Auszug aus dem Vorwort von Niklaus R. Schweizer, Honolulu und Tartu 1999, ebd., S. 11-13)

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