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Aus einer Abhandlung über Machiavell als Schriftsteller, und Stellen aus seinen Schriften.

I. Aus dem Beschlusse jener Abhandlung.

 

Zunächst fallen uns zwei Gattungen von Menschen ein, gegen die wir uns verwahren möchten, wenn wir es könnten. Zuvörderst solche, welche, so wie sie selbst mit ihren Gedanken niemals über die neueste Zeitung hinauskommen, annehmen, daß dies auch kein andrer könne, daß demnach alles, was geredet oder geschrieben werde, eine Beziehung auf diese Zeitung habe, und derselben zum Kommentar dienen solle. Diese bitte ich zu bedenken, daß keiner sagen könne: siehe, da ist dieser gemeint, und dieser! - der nicht vorher bei sich selbst geurteilt habe, daß dieser, und dieser wirklich und in der Tat also sei, daß er hier gemeint sein könne; daß daher keiner einen im allgemeinen bleibenden Schriftsteller, der in der, alle Zeit umfassenden Regel, jede besondre Zeit vergißt, der Satire beschuldigen könne, ohne erst selbst, als ursprünglicher und selbständiger Urheber, diese Satire gemacht zu haben, und so höchst törichterweise seine eignen geheimsten Gedanken zu verraten.

Sodann gibt es solche, die vor keinem Dinge Scheu haben, wohl aber vor den Worten zu den Dingen, und vor diesen eine unmäßige. Du magst sie unter die Füße treten, und alle Welt mag zusehen; dabei ist für sie weder Schande noch Übel: wenn aber darauf ein Gespräch erhoben würde, vom Treten mit Füßen, so wäre dies ein unleidliches Ärgernis, und nun erst höbe das Übel an; da doch auch überdies kein Vernünftiger und Wohlwollender ein solches Gespräch erheben wird, aus Schadenfreude, sondern lediglich, um die Mittel ausfindig zu machen, daß der Fall nicht wieder eintrete. Ebenso mit den zukünftigen Übeln; sie wollen nicht gestört sein in ihrem süßen Traume, und schließen drum fest zu ihr Auge vor der Zukunft. Da aber dadurch andre, welche die Augen offenbehalten, nicht verhindert werden, zu sehen, was herannaht, und in Versuchung kommen könnten, zu sagen, und mit Namen zu benennen, was sie sehen, so dünkt ihnen gegen diese Gefahr das sicherste Mittel dieses, daß sie den Sehenden dieses Sagen und Benennen verkümmern; als ob nun, in umgekehrter Ordnung mit der Wirklichkeit, aus dem Nichtsagen, erfolgen würde. So schreitet der Nachtwandler einher am Rande des Abgrundes; aus Barmherzigkeit, ruft ihm nicht zu, jetzt sichert ihn sein Zustand, wenn er aber erwacht, so stürzt er herab. Möchten nur auch die Träume jener die Gabe, die Vorrechte und die Sicherheit des Nachtwandels mit sich führen, damit es ein Mittel gäbe, sie zu retten, ohne ihnen zuzurufen, und sie zu erwecken. So sagt man, daß der Strauß die Augen vor dem auf ihn zukommenden Jäger verschließe, eben auch, als ob die Gefahr, die ihm nicht mehr sichtbar sei, überhaupt nicht mehr da sei. Der wäre kein Feind des Straußen, der ihm zurufte: öffne deine Augen, siehe, da kommt der Jäger, fliehe nach jener Seite hin, damit du ihm entrinnest.

II. Große Schreibe- und Preßfreiheit in Machiavells Zeitalter

 

Es dürfte auf Veranlassung des vorigen Abschnittes, und indem vielleicht einer oder der andere unserer Leser sich wundert, wie dem Machiavell das soeben Gemeldete habe hingehen können, der Mühe wert sein, zu Anfange des 19. Jahrhunderts, aus den Ländern, die sich der höchsten Denkfreiheit rühmen, einen Blick zu werfen auf die Schreibe- und Preßfreiheit, die zu Anfange des 16. Jahrhunderts in Italien, und in dem päpstlichen Sitze Rom, stattfand. Ich führe von Tausenden nur Ein Beispiel an. Machiavells Florentinische Geschichte ist auf die Aufforderung des Papstes Clemens VII. geschrieben, und an denselben überschrieben. In derselben befindet sich gleich im ersten Buche folgende Stelle: "So wie bis auf diese Zeit keine Meldung geschehen ist von Nepoten oder Verwandten irgendeines Papstes, so wird von nun an von solchen die Geschichte voll sein, bis wir sodann auch auf die Söhne kommen werden; und so ist denn den künftigen Päpsten keine Steigerung mehr übrig, als daß sie, so wie sie bisher diese ihre Söhne in Fürstentümer einzusetzen gesucht haben, denselben auch den päpstlichen Stuhl erblich hinterlassen."

Dieser Florentinischen Geschichte, nebst dem Buche vom Fürsten, und den Diskursen, stellt derselbe Clemens, honesto Antonii (so hieß der Drucker) desiderio annuere volens, ein Privilegium aus, in welchem allen Christen bei Strafe der Exkommunikation, den päpstlichen Untertanen noch überdies bei Konfiskation der Exemplare, und 25 Dukaten Srafe, verboten wird, diese Schriften nachzudrucken.

Zu erklären ist dies allerdings. Die Päpste und die Großen der Kirche betrachteten selber ihr ganzes Wesen lediglich als ein Blendwerk für den niedrigsten Pöbel, und, wenn es sein könnte, für die Ultramontaner, und sie waren liberal genug, jedem feinen und gebildeten italienischen Manne zu erlauben, daß er über diese Dinge ebenso dächte, redete und schriebe, wie sie selbst unter sich darüber redeten. Den gebildeten Mann wollten sie nicht betrügen, und der Pöbel las nicht. Eben so leicht ist zu erlären, warum späterhin andere Maßregeln nötig wurden. Die Reformatoren lehrten das deutsche Volk lesen, sie beriefen sich auf solche Schriftsteller, die unter den Augen der Päpste geschrieben hatten, das Beispiel des Lesens wurde ansteckend für die andern Länder, und jetzt wurden die Schriftsteller eine furchtbare, und eben darum unter strengere Aufsicht zu nehmende Macht.

Auch diese Zeiten sind vorüber, und es werden dermalen, zumal in protestantischen Staaten, manche Zweige der Schriftstellerei, z.B. philosophische Aufstellung allgemeiner Grundsätze jeder Art, gewiß nur darum der Zensur unterworfen, weil es so hergebracht ist. Da sich nun hiebei findet, daß denen, welche nichts zu sagen wissen, als das was jedermann auch schon auswendig weiß, in alle Wege erlaubt wird, so viel Papier zu verwenden, als sie irgend wollen; wenn aber einmal wirklich etwas Neues gesagt werden soll, der Zensor, der das nicht sogleich zu fassen vermag, und vermeinend, es könne doch ein nur ihm verborgen bleibendes Gift darin liegen, um ganz sicher zu gehen, es lieber unterdrücken möchte; so wäre es vielleicht manchem Schriftsteller vom Anfange des 19. Jahrhunderts in protestantischen Ländern nicht zu verdenken, wenn er sich einen schicklichen und bescheidenen Teil von derjenigen Preßfreiheit wünschte, welche die Päpste zu Anfange des 16. ohne Bedenken allgemein zugestanden haben.

III. Aus der Vorrede zu einigen ungedruckt gebliebenen Gsprächen über Vaterlandsliebe, und ihr Gegenteil.

 

Innerhalb dieser Beschränkungen nun, welche die Gerechtigkeit und die Billigkeit erfordern, könnte uns, sollte ich denken, jene sehr wohl erlauben, daß wir ohne Scheu sagen, was sie selber sich nicht scheuen in wirklicher Tat zu tun; indem ja offenbar die Tat, welche auch ohne unser Sagen ohne Zweifel in die Augen fallen wird, ein weit größeres Ärgernis anrichtet, als unser nachheriges Sagen von der Tat. Und obgleich durchaus nichts verhindert, daß diejenigen, welche von Amts wegen die Aufsicht über den öffentlichen Bücherdruck führen, für ihre Personen zu einer von den beiden dermalen im Streite liegenden Hauptparteien in der Geisterwelt gehören, so könne sie doch das Interesse dieser ihrer Partei nur sodann wahrnehmen, wenn sie etwa selbst einmal als Schriftsteller auftreten sollten; als öffentliche Personen aber haben sie gar keine Partei, und sie müssen dem Verstande, der ohnedies weit seltener bei ihnen das Wort nachsucht, denn der Unverstand, dasselbe ebensowohl geben, wie sie dem letztern täglich erlauben, nach aller Lust seiner Notdurft zu pflegen; keinesweges aber sind sie befugt, irgendeinem Tone deswegen zu verwehren, laut zu werden, weil er an ihre Ohren fremd und paradox anschlägt.

Geschrieben zu Berlin, im Julius 1806.

 

(Auszug aus: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation durch Johann Gottlieb Fichte. Aus einer Abhandlung über Machiavell als Schriftsteller, und Stellen aus seinen Schriften I-III, ebd., S. 5-9)

 

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