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Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (ZRG). Germanistische Abteilung

Die Erforschung des naturrechtlichen germanischen Kulturerbes war seit jeher ein besonderes Anliegen C. F. von Savignys. Viel Forscherarbeit steckt in den schwierigen Editionen zahlreicher Stammesrechte und lokaler Rechtsordnungen (z. B. Stadtrechte). Ereignisse und Persönlichkeiten können nur mit zum Teil langwieriger Quellenforschung rekonstruiert werden, weswegen regelmäßige Berichte über Handschriftenfunde eine wichtige Arbeitsunterlage jedes Germanisten darstellen. Soziologische Fragestellungen finden Eingang in viele Untersuchungen. Die Trends der Zeit schlagen sich auch hier nieder in regelmäßigen Beiträgen zur Strafrechtsgeschichte und zu Gender Studies.

Die Herausgeber und ihre Anschriften:

Prof. Dr. Peter Oestmann (Institut für Rechtsgeschichte, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Universitätsstraße 14-16, D-48143 Münster) (Aufsätze und Miszellen bis 1800), Prof. Dr. Joachim Rückert, Lehrstuhl für Juristische Zeitgeschichte und Zivilrecht, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Postfach 111932, D-60054 Frankfurt (Aufsätze und Miszellen zur neueren Rechtsgeschichte) und Univ.-Prof. Dr. Gerhard Köbler, Universität Innsbruck, Innrain 52, A-6020 Innsbruck, e-mail: Gerhard.Koebler@uibk.ac.at (Besprechungen)

Aus dem Inhalt

Seitenansicht, ebd., S. 301
Seitenansicht, ebd., S. 301

"Vagati" und "Vagatae" als Täter und Opfer in spätmittelalterlichen deutschen Achtbüchern, aufgezeigt am "Kulmer Gerichtsbuch" von 1340-1428, mit einem Vergleich des Augsburger Achtbuches von 1338-1528 und der Nürnberger Acht-, Verbots- und Fehdebücher von 1285-1403

Martin Schüßler

 

Unsere Hauptquellen für das spätmittelalterliche Verbrechen in Deutschland sind Acht- oder Proskriptionsbücher. In diese Bücher wurden diejenigen Verurteilten eingetragen, die mit der "Proscriptio" belegt wurden. Mit der Proscriptio belegt, also nicht eigentlich bestraft, sondern nur - theoretisch für ewig, praktisch auf Zeit 1) - aus dem Gerichtsbezirk, der für den Tatort zuständig war, entfernt, wurden aber vorwiegend Menschen, die nach Meinung des jeweiligen Gerichts es verdient hatten, nicht mit körperlichen Strafen oder der Todesstrafe belegt zu werden. Dieses waren so vor allem Menschen aus dem Gerichtsbezirk, Menschen, die das Gericht kannte, Menschen, die nach Meinung des Gerichts "Ehre" besaßen, Menschen, die ein Verbrechen auch so begangen hatten, daß sie ihre Ehre nicht verloren hatten, also nicht heimlich und hinterrücks (wie ein Dieb), sondern offen und "ehrlich" (wie ein Räuber), möglichst vor aller Augen und möglichst im offenen Zweikampf 2). "Unehrliche" und "Vagati" kommen deshalb zwangsläufig in den Urkunden als Täter kaum, als Opfer aber auch recht selten vor: Als Täter wurde ihnen die Proscriptio oft verweigert; wenn sie Opfer waren, sah man es oftmals nicht der Mühe wert an, ein Verbrechen an einem Vagatus oder an einer Vagata zu verfolgen 3).

1. Im Kulmer Gerichtsbuch (KGerB)  4) werden jedoch Menschen, die wohl Vagati und Vagatae sind, einige Male erwähnt. Wahrscheinlich haben wir hier die Situation, daß der Deutsche Orden seinen Staat nach westeuropäischem Vorbild eben als "Staat" auffaßte und alle Verbrechen verfolgt haben wollte, auch solche mit Vagati und Vagatae als Täter oder Opfer 5). Denn offenbar kümmerte sich der Orden um "Fremde" in seinem Herrschaftsbereich, auch um "Unehrliche", denn sie hätten ja litauische Spione sein können: So lesen wir im KGerB eine Verordnung aus dem Jahre 1394, die sich gegen Fremde allgemein, im Besonderen aber wohl gegen Vagati wendet 6). Es kommen also "Vagati" im KGerB als Täter, denen die "Proscriptio" gewährt wurde, vor:

a) Der erste dieser Täter ist "Otto der Scholar"7) : "Otto, scolaris, proscriptus pro spolio unius anuli, actrix uxor lohannis Scoter. Item idem Otto proscriptus pro hussuche, actor Iohannes filius brevis Alken. Item predictus Otto proscriptus pro noitzucht, actor uxor Iohannis brevis Alken." Otto der Scholar wird danach noch zweimal erwähnt 8): "(Otto, scolaris), proscriptus pro spolio ... actrix uxor ... H.stock. Item (idem) ... 9) und "Otto, scolaris, proscriptus pro incantatione, actrix Anna, filia Iohannis Leonis" . 10) Otto der Scholar kommt also mehrmals im KGerB vor, und man ist offenbar recht langmütig mit ihm. Man behandelte wohl Otto den Scholaren anders als andere Vagati, weil man sich nicht sicher war, ob er denn nur ein Vagatus war, oder ob er unter das "Privilegium clericale" fiel und von der Stadt gar nicht bestraft werden durfte 11).

b) Der zweite Täter ist ein "Ohrenloser", der einen anderen "Vagatus" umbrachte und wohl deshalb - weil das Opfer "nur" ein Vagatus war - auch nur mit der Proscriptio bestraft wurde 12): "Carens auribus pro homicidio, interfectus quidam mendicus, executus per iudicium" 13). Es wurde im Spätmittelalter offenbar "Vagati" und "Vagatae" die Proscriptio gewährt, wenn sie 1. wenigstens vorübergehend ortsansässig waren, 2. wenn die Tat an sich nicht "unehrlich" war - man muß hier an offen ausgeübte Tötung oder Körperverletzung denken - oder wenn 3. das Opfer kein "guter Bürger" der betreffenden Region war. Dies trifft für den Fall des Carens auribus zu und findet sein Gegenstück in einem Fall aus dem Berlin des Jahres 1442, in dem zwei Prostituierte sich gegenseitig percusserunt und auch nur proskribiert wurden 14).

c) Ein dritter Fall aus dem KGerB betrifft dagegen wohl eher einen einheimischen Musiker als Täter 15): "Petrus, fistulatorum, pro homicidio, interfectus Henricus, hoveman, actrix Agnes" 16).

d) Alle anderen in der Quelle des KGerB vorkommenden mutmaßlichen Vagati und Vagatae sind allesamt Opfer von Verbrechen: "Petir Gebuwervint pro homicidio, interfecta quedam meretrix, executa per iudicum"17) . "Nicze Smedechin pro adiutorio homicidii, interfecta publica meretrix, executa per scultetum premissum"18) . "Nytzsche Smet, Strosberginne frater, pro homicidio, interfectus exul famulus, executus per iudicium"19) ."Nykusch Kuroschs pro insidiis viarum, actor Andreas, fistulator" 20). "Hannus de Brenitz pro vulnere, actor Nycolaus, fistulator" 21). "Nicolaus, cognatus Martini, linificis, pro homicidio, Georgius fuit, qui quondam scolaris hic in scola, interfectus; executus per iudicium" 22). "Item quidam Greger pro vulnere, actor idem pedellus ex parte cuiusdam meretricis" 23). "K (..) (Lor) ist geecht umme (czwu) czugbare (wunden), dy her Niclos, spilman, hot gethon" 24). "Niclos Pickewicz ist geecht um eyne czugbare wunde, gethon eynem elenden iungen, mit deme her sich bericht hot und von des gerichtes weyne ist her geecht, mit deme her sich nicht hot entricht"25) .

Ein weiterer Fall aus dem KGerB ist wohl eher kein Vagatus-Fall, sondern betrifft einen Einhemischen als Opfer, der aber mit Schiffern und Lastenträgern zu tun hatte, denen er in den Hafenkneipen der Unterstadt von Kulm aufspielte: Anno Domini MCCCLVII Laurencius Sudlingo sculteto existente: Iohannes, portator tunnarum, proscriptus pro homicidio, occisus Conradus, tympanator" 26).

Daß "Vagati" in den Gerichtsurkunden vorkommen, gibt es also, aber es geschieht nicht häufig, denn als Täter schienen sie es oft nicht verdient zu haben, "nur" geächtet zu werden, und man machte sich vielleicht auch oft nicht die Mühe, sie als Opfer in die Bücher aufzunehmen: Denn die Konsequenz war ja, daß ein "angesehener Bürger" geächtet werden mußte, und das wollte man wohl eher vermeiden. Es kommen aber trotzdem manchmal Vagati als Opfer in den Urkunden vor, wie wir am KGerB sehen. Daß Kulm hier kein Einzelfall ist, belegen die Achtbücher von Nürnberg und Augsburg.

2. Im Nürnberger Achtbuch I, das von 1285 bis1337 reicht 27) , kommen mehrere potentielle Vagati vor. Gleich der erste Vagatus-Fall dort erinnert doch sehr an den Fall von "Otto dem Scholaren" in Kulm, denn in Nürnberg wird im Jahre 1300 ein gewisser "Ulricus Gugelin scolaris" wegen incantationibus et aliis criminibus verbannt 28). Man sollte hier aber zum Vorwurf der Zauberei anmerken - Avé-Lallement hat eine ähnliche Ansicht entwickelt 29) -, daß im Mittelalter die Menschen normalerweise ungebildet waren, der Analphebetismus die Norm war und kaum jemand, der nicht ein Clericus war, lesen und schreiben konnte. Die Analphabeten standen der Kunst des Lesens und Schreibens aber eher ablehnend gegenüber und hielten beides offenbar für "Zauberei" 30). Jemand der im Mittelalter lesen und schreiben konnte, beherrschte also nach der Meinung der Menschen eine Art Zauberei: Dies machte sich die Kirche insofern zunutze als die Inquisitionsbeamten die Aussagen der Zeugen und Angeklagten in einem Prozeß natürlich aufschrieben und die Aussagenenden mit ihren früheren Aussagen konfrontierten und Widersprüche aufzeigten; das aber wurde von den einfachen Menschen der Zeit bewundernd als "weiße Magie" 31)aufgefaßt . Die Wirkung des Benutzens der seltenen Kunst des Schreibens und Lesens durch clerici hatte auf die zaubergläubigen Menschen des Mittelalters also die Wirkung, daß sie immer stärker an die magische Macht der Kirche glaubten 32). Auch das Aussprechen der Transsubstantationsformel beim Abendmahl ist ja eine Art der "Zauberei" 33). Die Menschen des Mittelalters waren zutiefst davon überzeugt, daß es Zauberei geben mußte, denn sie wurde ihnen ja immer wieder in der Kirche vorgeführt. Wenn aber ein Prieser zaubern konnte, mußte da nicht auch ein Scholar zaubern können, vor allem, wenn er sich als Priester ausgab?

3. Ein weiterer Fall von Zauberei ist im Nürnberger Achtbuch II  34), das von 1308 bis1359 reicht, aus dem Jahre 1347 bekannt: "Kunel des Drechsels Schlafweib" wird wegen Zauberei geächtet 35). Auch sie könnte eine Vagata sein, denn das mittelhochdeutsche Wort "Schlafweib" könnte sowohl Konkubine als auch meretrix bedeuten36). Auch ein gewisser "Wolfram scolaris" wird erwähnt, aber nicht mit einem einzelnen Verbrechen in Zusammenhang gebracht, sondern als pedellus suspectorum bezeichnet und offenbar auf Verdacht ausgewiesen 37). Die übrigen als mutmaßliche Vagati Proskribierten in Nürnberg sind entweder rufiani oder lusores oder beides; auch drei fures und drei "schedliche leute" werden erwähnt38).

4. In den "St. Gallus-Listen" von Augsburg treten uns zwangsläufig sehr viele ausgewiesene Vagati und Vagatae entgegen, da diese Listen ja nur die Namen von "Unehrlichen" enthalten, die auf Verdacht ausgewiesen wurden39). In Augsburg wurde die Proscriptio wegen Zauberei unseren Erkenntnissen nach im 14. Jahrhundert viermal angewandt:

a) So wird in der St. Gallus-Liste von 1349 ein Mann als Zauberer bezeichnet, "Haintz von Nürnberg", ein briuknecht, ein dieb und ein zaubrer"40) .

b) In der St. Gallus-Liste von 1378 wird eine Frau als zawprerin bezeichnet, "Anna des schniders tochter bei dem Ruchelbrunnen, ein kindverderberin und verwerrerin, ein diepin, ein zawprerin" 41).

c) In der St. Gallus-Liste von 1379 wird eine Frau als Zauberin bezeichnet, "Das Rotzig Diemlin, ein lupplerin, ein zaubrerin und verwerrerin etlicher leut, ein bozz weip" 42).

d) In der St. Gallus-Liste von 1385 wird eine Frau als Zauberin bezeichnet, "Pridenschencklin dez Motzenhovers, des satlers magd waz, ein rechtiu bozwichtin und nimpt einer erbern frawen iren eman und spricht, sie welle den han und well in zu einem armen mann machen; und dennoch muzz er sie han und das eweip lazzen; und ist ein efferin und ein zaubrerin"43) .

Wenigstens die Täter der Fälle a, c und d scheinen tatsächlich Vagati oder Vagatae zu sein, während die Frau des Falles b eine Einheimische sein mag 44). In Augsburg werden Vagati und Vagatae aber auch in den regulären Proscriptiones erwähnt, wenn sie Verbrechen begangen hatten und man sie der Proscriptio für wert befand. Buff nennt hier einige Fälle, die er im Augsburger Achtbuch fand 45). Er gelangte aber durch sein Studium des Buches auch zu der Überzeugung, daß Vagati öfter als "gute Bürger" von Augsburg wirklich bestraft, d.h. mit Leibesstrafen oder der Todesstrafe belegt wurden 46). Vor einer Auszählung der "Fälle" im Augsburger Achtbuch kann man dazu aber nichts Profundes sagen, und hier werden wir wohl warten müssen, bis das Achtbuch in einer vollständigen und verläßlichen Edition vorliegt 47). Der Verfasser dieses hat aber die St. Gallus-Listen von 1349 und 1379 48) einmal ausgezählt, um aufzuzeigen, welche Möglichkeiten der Forschung geboten werden, wenn das Augsburger Achtbuch denn einmal in editierter Form vorliegt: 1349 haben wir 88 männliche und 25 weibliche Unehrliche in 91 Eintragungen in der Liste erwähnt. 13 von ihnen waren ausgestrichen, also begnadigt. Der Begriff "Ruffian" kommt 13mal vor, "Ruffianerin" 9mal. Dieb kommt 26mal vor, Diebin 8mal. "Schädlicher Mann" kommt 4mal vor. Männer werden 11mal als "Gottschwörer" 49), 21 mal als Bösewicht bezeichnet,  Frauen 5mal als "böses Weib". Männer kommen 2mal als Bettler 50) und 1mal als Betrüger vor, ebenfalls eine Frau 1mal als Betrügerin. 4 Männer tauchen als "Nachtabsprecher" auf,  d. h. als Räuber. 15 Männer werden als Falschspieler (mit falschen Würfeln) bezeichnet, 5 als "Scholderer", d. h. als Veranstalter von Glücksspielen 51). Ein Mann wird als Verräter bezeichnet, 8 als Mörder, einer als Zauberer, einer als Hehler. Je eine Frau werden als Falschmünzerin und Hehlerin bezeichnet.

Als frühere Berufe der "schädlichen Leute" von Augsburg von 1349 werden angegeben: Bäcker (5mal), Beutler (4mal), Bote (1mal), Brauer (3mal), Fischer (1mal), Flößer (1mal), Fuhrmann (1mal), Henker (1mal), Kessler (1mal), Knecht (6mal), Kürschner (7mal), Maurer (1mal), Metzger (1mal), Schneider (1mal), Scholar (1mal), Schuhmacher (1mal), Stadtwächter (1mal), Vogelfänger (1mal), Weber (2mal).

1379 haben wir nur 4 männliche, aber 20 weibliche Unehrliche in 36 Eintragungen. 7 wurden offenbar begnadigt, oft auf Verwendung von "guten Bürgern" hin, die sogar manchmal Kaution für die Aufgelisteten stellten. Der Begriff "Ruffian" kommt 2mal vor, "Ruffianerin" aber 7mal, Dieb ebenfalls 2mal und Diebin 7mal. "Böses Weib" kommt 15mal vor, Kupplerin 8mal, Prostituierte 2mal, Zauberin 1mal, Verräterin 5mal, Meineidige 1mal. Falschspieler mit falschen Würfeln kommt nur 2mal vor. Als frühere Berufe werden genannt: 1mal Bader, 2mal Krämer, 1mal Lodenweberin.

Man sieht also sofort, daß die beiden Listen von 1349 und 1379 grundverschieden sind: Das bezieht sich auf die Anzahl der Aufgelisteten, auf die Verteilung der Geschlechter und auf die Angaben zu den früheren Berufen. Mindestens eine der beiden Listen scheint eher ungewöhnlich für eine St. Gallus-Liste zu sein; folglich sind sie also einfach nicht vergleichbar. Man wird mit Hilfe der St. Gallus-Listen erst dann eine verläßliche Statistik der Vagati aufstellen können, wenn ein vollständiger Überblick über das "Augsburger Achtbuch" vorliegt und wir alle St. Gallus-Listen kennen. Dann allerdings wird es wohl möglich sein, etwas Genaueres zu den Unehrlichen und Vagati bzw. Vagatae in Augsburg oder sogar generell im Heiligen Römischen Reich sagen zu können, denn die Anzahl der Aufgelisteten überschreitet nach Buffs Schätzung die 300052).

Daß Vagati und Vagatae in den Proscriptionsbüchern vorkommen, ist also etwas Ungewöhnliches und - außer in Augsburg mit seinen St. Gallus-Listen - statistisch nicht erfaßbar. Das Phänomen kann also nur impressionistisch aufgearbeitet werden, doch liegt mit dieser Arbeit nicht eigentlich ein Fall von klassischem Impressionismus53) vor, da ja nicht behauptet wird, daß ein Einzelfall irgendwie typisch sei, sondern der Verfasser im Gegenteil der Auffassung ist, daß die vorliegenden Einzelfälle Ausnahmen sind, die alle als Sonderfälle interpretiert weden müssen: Otto der Scholar kommt im Kulmer Gerichtsbuch vor, weil er eben möglicherweise ein clericus war. Der Carens auribus kommt dort vor, weil er "nur" einen Bettler getötet hatte. Beide sind Ausnahmen. Überhaupt lassen die in den Kulmer Akten vorkommenden Vagati keinen Schluß darauf zu, welchen Anteil sie denn an den Verbrechern in Westpreußen oder im Heiligen Römischen Reich im 14. Jahrhundert oder gar an der damaligen Gesamtbevölkerung hatten.

Der Verfasser dieses Aufsatzes hat also nicht die Absicht, sich von der Quantifizierung ab- und dem Impressionismus zuzuwenden: Das Phänomen der Vagati in den mittelalterlichen Gerichtsbüchern läßt sich - außer in Augsburg mit seinen St. Gallus-Listen - nur nicht anders als impressionistisch bewältigen, da es wegen zu geringer Zahlen statistisch nicht erfaßbar ist. Es kann also hier aus mathematischen Gründen nicht quantifiziert werden: Wir müssen in Bezug auf die Vagati und Vagatae den Einzelfall betrachten, uns aber gleichzeitig immer davor hüten, ihn verallgemeinern zu wollen.

* KGerB ="Liber memoriarum Colmensis civitatis", Edition: Ca r l  A u g u s t L ü c k e r a t h / F r i e d r i c h  B e n n i n g h o v e n (Bearbb.), Das Kulmer Gerichtsbuch 1330-1430, in: J ü r g e n  K l o o s t e r h u i s / I s e l i n G u n d e r m a n n (Hgg.), Veröffentlichungen aus den Archiven preußischer Kulturbesitz Bd. 44, Köln-Wien-Weimar 1999

(Martin Schüßler, Pforzheim; ebd., S. 301-310)

 

Böhlau Verlag

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Inhaltsverzeichnis (pdf. 188 KB)
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