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Der Handel mit Kulturgut

Allgemeine Regeln des Zivilrechts

Der Handel mit Kulturgut vollzieht sich nach den allgemeinen Regeln des Zivilrechts. Es gelten keine Sondervorschriften.

Für den Kauf eines Kulturgutes gelten die §§ 433 ff BGB (Verpflichtungsgeschäft), für die Eigentumsübertragung  die §§ 929 BGB (Verfügungsgeschäft).  Für die zivilrechtliche Beurteilung der Eigentumsverhältnisse an Kulturgut macht es keinen Unterschied, ob es sich um Kulturgut im Eigentum des Staates oder einer Privatperson handelt, da das Eigentum des Staates wie privatrechtliches Eigentum behandelt wird. Der Staat kann sein Eigentum vor einem Zivilrecht geltend machen. Der Erwerb eines Kulturgutes vom Eigentümer erfolgt gem. §§ 929 ff. BGB durch Einigung und Übergabe bzw. Übergabesurrogat.

Gutgläubiger Erwerb

Für den Fall, dass der Veräußerer nicht Eigentümer des Kulturgutes ist, gelten die Vorschriften der §§ 932 ff BGB über den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten.

§ 932 Abs.2 BGB  schützt den guten Glauben an das Eigentum des Veräußerers, § 366 HGB den guten Glauben an dessen Verfügungsberechtigung, wenn es sich um einen Kunsthändler und damit Kaufmann i.S. des HGB handelt. An die Sorgfaltspflichten des Erwerbers sind im einzelnen strenge Anforderungen zu stellen.

Nach den geltenden Beweislastregeln hat der (ursprüngliche) Eigentümer einer Sache die Bösgläubigkeit des Erwerbers gem. §§ 932, 937 Abs.2 BGB zu beweisen.

Kein gutgläubiger Erwerb an gestohlenem Gut

Gemäß § 935 Abs.1 S.1 BGB ist der gutgläubige Erwerb eines Kulturgutes vom Nichtberechtigten jedoch ausgeschlossen, wenn es dem Eigentümer gestohlen worden, verlorengegangen oder sonst abhanden gekommen ist. Gleiches gilt gemäß § 935 Abs.1 S.2 BGB, wenn der Eigentümer nur mittelbarer Besitzer war, die Sache aber dem Besitzer abhanden gekommen ist.

Eine Sache ist abhanden gekommen, wenn der Eigentümer oder sein Besitzmittler den unmittelbaren Besitz ohne seinen Willen verloren hat. Nach überwiegender Auffassung ist der Besitzverlust auch unfreiwillig, wenn ein Besitzdiener im Sinne des § 855 BGB die Sache ohne den Willen des Besitzherrn oder unter Verstoß gegen Weisungen sich zueignet (unterschlägt) bzw. weggibt.(vgl. Hipp, S.155)

Beispiel:

§ 935 Abs.1 BGB erfasst z.B. folgenden Fall:

Der Eigentümer gibt z.B. aufgrund eines Restaurationsvertrages sein Kulturgut außer Haus und es wird dem Restaurator gestohlen.

Die Grundregel des § 935 Abs.1 BGB schließt demnach den gutgläubigen Erwerb an gestohlenem Kulturgut aus. Der bestohlene Eigentümer kann sein Kulturgut vom Erwerber gem. § 985 BGB herausverlangen.

Unveräußerliches Kulturgut ...

Manche Staaten entziehen Kulturgüter gänzlich dem Rechtsverkehr, indem sie einen selbst gutgläubigen Erwerb an diesen ausschließen, so etwa Frankreich und Italien. Andere erschweren den privaten Handel mit Kulturgut durch öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen. Selbst gutgläubiger Erwerb vermag eine solche Widmung zur öffentlichen Sache nicht zu überwinden. Diese Kulturgüter sind allerdings nur "partiell" res extra commercium. Diese Sacheigenschaft der Extrakommerzialität beurteilt sich nach der lex rei sitae. ( vgl. Weber, Marc: Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, Berlin et al. 2002, S.1)

Beispiel:  Eine nach französischem Recht unveräusserliche Sache wird in Frankreich gestohlen und in die Schweiz verbracht. Hier bestimmt nun das schweizerische Internationale Privatrecht (IPR), ob an diesem Objekt Eigentum erworben werden kann (vgl. Art. 100 Abs.2 IPRG).

Die Gerichte behandeln ausländisches Kulturgut anders als eigenes. Exportvorschriften über Kulturgut  werden als ausländisches öffentliches Recht im Inland nicht durchgesetzt. Mithin ist es für den Herkunftsstaat bisweilen äußerst schwierig, sein Kulturgut im Ausland herauszuklagen. (vgl. ibid., S. 1)

"Zwar fällt es dem Herkunftsstaat leichter, wenn er sein Eigentum am Kulturgut geltend machen kann, aber auch dann kann er sein Eigentum kraft gutgläubigen Erwerbs nach der ausländischen lex rei sitae verlieren. In diesen Fällen sind Rückgabeklagen nur mit Hilfe von Staatsverträgen wie der UNESCO-Konvention 1970 oder der UNIDROIT-Konvention 1995 möglich. Innerhalb der Europäischen Union schafft zudem die Richtlinie 93/7/EWG Abhilfe, so dass Kulturgut wenigstens innerhalb der EU bzw. des EWR als res extra commercium behandelt wird ..."  (op. cit., ibid., S. 1)

res extra commercium

Das vorliegende Werk "Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr"  von Marc Weber - erschienen beim De Cruyter Verlag, Berlin et al. 2002 - stellt  unter Berücksichtigung des Kulturgüterrechts der Europäischen Union, des Völkerrechts sowie des internationalen Privatrechts (IPR) die nationalen Rechtsordnungen der Schweiz, Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Englands in Bezug auf besonders geschützte Kulturgüter dar.

Der Verfasser untersucht in den genannten Rechtsordnungen die sachen- und schuldrechtlichen Besonderheiten von Kulturgütern als res extra commercium. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Ausfuhrgestzgebung und dem internationalen Rechtsverkehr mit unveräußerlichem Kulturgut.

Den Mittelpunkt seiner Untersuchungen bildet die Darstellung der Situation von unveräußerlichem Kulturgut im französischen und italienischen Recht. Der Verfasser greift dabei auf die Entstehung dieser sachenrechtlichen Besonderheit von Kulturgut als Bestandteil des sog. domaine public bzw. demanio pubblico zurück und vergleicht diese mit dem schweizerischen und deutschen Recht.

Handelsbeschränkungen und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie

Kulturgüter wie Bilder, Skulpturen und archäologische Objekte sind Waren, Handelswaren und werden in grossem Umfang angeboten, versteigert, gekauft und weiterverkauft. Sie gelangen daher im Laufe der Jahre vielfach von ihrem Ursprungsland in andere Staaten. Der Handel mit Kulturgütern ist jedoch nicht frei. Es existieren zahlreiche Bestimmungen von Einzelstaaten, auch supranationales Recht sowie internationale Konventionen, die den Verkehr mit Kulturgütern regeln. Einer Beschränkung unterliegt insbesondere der Handel mit Gütern, die zum kulturellen Erbe einer Nation gerechnet werden, so etwa archäologische Fundstücke, repräsentative Werke einheimischer Künstler, aber auch zahlreiche andere Objekte ohne engen Bezug zum Staat, in dem sie gelegen sind. Private Sammler sehen sich daher wegen Ausfuhrverboten, Rückgabegeboten oder aufgrund von Bestimmungen über den Erwerb von beweglichen Kulturgütern durch die öffentliche Hand mit manchmal erheblichen Einschränkungen ihres Eigentums konfrontiert. Ihre Möglichkeiten und Rechte zum Erwerb, zur Nutzung und Verfügung sind aufgrund von Rechtsnormen und hoheitlichen Akten eingeschränkt. (vgl. Sprecher, Jörg: Beschränkungen des Handels mit Kulturgut und die Eigentumsgarantie, Berlin 2004, S. 1)

Ziel der vorliegenden Arbeit "Beschränkungen des Handels mit Kulturgut und die Eigentumsgarantie" von Jörg Sprecher - erschienen beim De Gruyter Verlag, Berlin 2004 -   ist, das Verhältnis von derartigen Handelsbeschränkungen und der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie zu klären.

"Es ist zu untersuchen, ob und wie einzelne Massnahmen ins verfassungsrechtlich geschützte Eigentum Privater eingreifen. Anschliessend ist zu prüfen, ob die Eingriffe nach Massgabe der Verfassung gerechtfertigt sind, d. h. ob sie auf einer rechtlichen Grundlage beruhen, ob sie im Allgemeininteresse liegen, ob sie allenfalls eine Entschädigung des Eigentümers nach sich ziehen, ob sie verhältnismässig sind und den Kerngehalt des Eigentumsrechts wahren. Schliesslich ist zu fragen, wie Handelsbeschränkungen vom Gesetzgeber ausgestaltet und in der Praxis gehandhabt werden können, ohne Eigentumsrechte zu verletzen ..." (op. cit., ibid., S. 1)

Bis dato gibt es im Bereich des Kulturgüterschutzes nur wenige Entscheide zu diesen Fragen. Mithin drängt sich eine rechtsvergleichende Untersuchung auf.  Der Autor untersucht die Rechtsordnungen und die Praxis in der Schweiz, in Deutschland und Österreich, in Frankreich, Italien und dem Vereinigten Königreich, der EMRK sowie in der Europäischen Union. Die vorliegende Arbeit berücksichtigt gleichfalls die internationalen Konventionen von UNESCO (1970) und UNIDROIT (1995).

Hehlerschutz statt Kulturschutz ?

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Ausführung des UNESCO-Kulturgutübereinkommens sieht Restriktionen allerdings allein für die Fälle vor, in denen Rückgabeforderungen geltend gemacht werden. Eine Rückgabe setzt jedoch den eindeutigen Herkunftsnachweis voraus. Mithin führen Rückgaberegelungen bei archäologischen Bodenfunden unbekannter Provenienz in aller Regel schon nicht zum Erfolg.

Nahezu alle Länder verfügen über ein sog. Schatzregal (vgl. BVerfGE 78, 205), d.h. archäologische Funde sind grundsätzlich Staatseigentum. Die Länder können bestimmen, daß kulturhistorisch oder wissenschaftlich bedeutsame Funde, die herrenlos sind oder deren Eigentümer nicht ermittelt werden kann, mit ihrer Entdeckung in das Eigentum der öffentlichen Hand fallen. Ein solches Schatzregal im Dienste des Denkmalschutzes verstößt weder gegen Art. 14 GG noch gegen andere verfassungsrechtliche Bestimmungen.

Zudem besteht für fast alle Länder ein Exportverbot für archäologische Bodenfunde.

Wieso kann ein Händler einem Käufer dann Eigentum an diesen Kulturgütern verschaffen ?

Nach deutschem Recht ist Hehlerei (§ 259 StGB) ein Straftatbestand, der mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet wird.

Dennoch, so der Archäologe Dr. Michael Müller-Karpe vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz:

"kann in Deutschland mit Hehlerware aus Raubgrabungen nahezu uneingeschränkt gehandelt werden. Wie kann das sein? Schuld an dieser paradoxen Rechtslage sind wirklichkeitsfremde Beweislastregelungen: Restriktionen sind nur für den Fall vorgesehen, dass der rechtmäßige Eigentümer des angebotenen Bodenfundes den Herkunftsnachweis erbringt und die Rückgabe fordert. Wie aber kann er das, wenn der Fund aus einer undokumentierten Raubgrabung stammt ? Daher ist der Käufer solcher Gegenstände in aller Regel vor zivilrechtlichen Rückgabeforderungen und strafrechtlichen Konsequenzen sicher. Regelmäßig wird hier ein gutgläubiger Erwerb unterstellt. Tatsächlich ist dies aber eine Fiktion, die mit der Realität wenig gemein hat: Der Großteil aller heute auf dem Kunstmarkt angebotenen antiken Objekte stammt aus illegalen Grabungen und Plünderungen, denn Funde aus legalen Ausgrabungen kommen in ein Museum, nicht aber in den Handel. Nahezu alle Länder mit Fundstellen antiker Hochkulturen haben bereits früh drakonische Gesetze erlassen, die das Graben nach Antiken und deren Export strafbewehrt untersagen. Der Antikenexport ist z.B. in Italien seit 1796 verboten, in Griechenland seit 1834. Bei provenienzlosen Bodenfunden, denen gültige Fund- bzw. Exportdokumente fehlen, kann der Käufer daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass er Hehlerware erwirbt, die unter Verstoß gegen die einschlägigen Gesetze des Herkunftslandes dem Boden entrissen und illegal verbracht wurde. Ein Händler weiß, ob der ihm angebotene Bodenfund legaler Herkunft ist und kann dies ohne weiteres belegen (z.B. durch Exportdokumente oder Nachweis der alten Eingliederung in eine Adelssammlung, bevor das Herkunftsland einschlägige Antikengesetze in Kraft gesetzt hatte). Der rechtmäßige Eigentümer archäologischer Funde aus undokumentierten Raubgrabungen kann - mangels Herkunftsnachweises - seine Ansprüche aber in der Regel nicht geltend machen." (Zit.: Müller-Karpe, M.: Hehlerschutz statt Kulturschutz ?, Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Ausführung des UNESCO-Kulturgutübereinkommens, in: Kulturpolitische Mitteilungen, Heft 111 IV/ Bonn 2006, S.53-54)

Ausnahmen zu § 935 Abs.1 BGB

- mangels Abhandenkommen gem. § 935 Abs.1 BGB

§ 935 Abs.1 BGB greift  z.B. in bestimmten Fälle der Unterschlagung nicht ein.

Beispiele:

(1) Der Eigentümer gibt aufgrund eines Restaurationsauftrages sein Kulturgut außer Haus. Der Restaurator übereignet dieses unberechtigt weiter.

In diesem Fall liegt mangels unfreiwilligen Besitzverlustes kein Abhandenkommen vor, so dass gutgläubiger Besitz möglich ist.

(2) Wird ein Kulturgut irrtümlich vom Angestellten eines Kunsthändlers in dessen Geschäftsräumen verkauft, so erfolgt gem. §§ 56 HGH, 166 Abs.1 BGB  die Besitzaufgabe nicht freiwillig und damit wird ein gutgläubiger Eigentumserwerb durch den Käufer möglich.

- Öffentliche Versteigerung gem. §§ 935 Abs.2 i.V.m. 383 Abs.3 BGB

Bei einem Erwerb über eine öffentliche Versteigerung läßt § 935 Abs.2 BGB gutgläubigen Eigentumserwerb an gestohlenem Kulturgut zu.

Beispiel: sog. Hamburger Stadtsiegel-Urteil

Der Bundesgerichtshof hatte  im sog. Hamburger-Stadtsiegel-Urteil über einen Fall zu entscheiden, bei dem in einer öffentlichen Versteigerung gutgläubig Eigentum an gestohlenem Kulturgut - es handelte sich um ein Siegeltypar nebst Aufbewahrungstasche - erworben wurde.

- Ersitzung gem. § 937 BGB

Der Käufer eines gestohlenen Kulturgutes erwirbt an beweglichen Sachen gem. § 937 BGB nach Ablauf von  zehn Jahren Eigentum , wenn er den Gegenstand solange gutgläubig in Eigenbesitz hatte und dabei keine positive Kenntnis vom fehlenden Eigentum hatte (§ 937 Abs.2 Alt. 2 BGB). Im Gegensatz zu §§ 932 ff BGB muss sich der gute Glaube hier allein darauf beziehen, dass der Erwerber sich für den Eigentümer hält.

 

Fortsetzung: Hamburger Stadtsiegel-Urteil ...

 

© Ulrike-Christiane Lintz, 01.03.2007