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Die Tyrannei der Schriftquellen?

Überlegungen zum Verhältnis materieller und schriftlicher Überlieferung in der Mittelalterarchäologie

ZUSAMMENFASSUNG:

Die Frage der Interaktion zwischen materieller und schriftlicher Überlieferung, ein zentrales Problem für die archäologische Mittelalterforschung, wurde seit der Entstehung des Fachs in Mitteleuropa immer wieder diskutiert. Die dazu geäußerten Überlegungen lassen unterschiedliche erkenntnistheoretische Ansätze erkennen. Sie werden in einem forschungseschichtlichen Überblick dargestellt und bewertet. Derzeit wird in der englischsprachigen theoretischen Archäologie entweder eine von der schriftlichen Überlieferung völlig unabhängige archaeological agenda als Deutungsgrundlage oder aber die kontextuelle Interpretation von materiellen und schriftlichen Quellen vorgeschlagen, die bisher von skandinavischen Mittelalterarchäologen am konsequentesten durchdacht worden ist. Dabei ist eine Annäherung an ältere Überlegungen in Mitteleuropa festzustellen. Die Möglichkeit, Schriftquellen und materielle Quellen wechselseitig für eine Interpretation nach dem Prinzip des Analogieschlusses zu nutzen, wurde bisher kaum aufgegriffen. Auf diesem Weg könnten materielle Überreste anhand von Modellen gedeutet werden, die durch Analogiebildung mit Hilfe der schriftlichen Überlieferung zu gewinnen sind.

Die Interaktion zwischen materieller und schriftlicher bzw. bildlicher Überlieferung im Rahmen der Interpretationsebenen archäologischer Befunde und Funde, einer der Themenschwerpunkte der Tagung, deren Beiträge hier vorgelegt werden, ist für die Archäologie des Mittelalters eine Problematik von grundlegender Bedeutung. Seitdem archäologisch erfaßte, materielle Überreste überhaupt als Quellen zur Erforschung des Mittelalters herangezogen werden, stellen sich die Analyse der unterschiedlichen Überlieferungsstränge zu dieser Epoche der Geschichte und vor allem die theoretischen Möglichkeiten einer Verknüpfung ihrer Aussagen im Hinblick auf die Interpretation der archäologischen Überreste als zentrale Fragestellung der achäologischen Mittelalterforschung dar. Zahlreiche Überlegungen zum Aussagepotential der materiellen Überlieferung des Mittelalters, die im Verlauf der Entstehung und Entwicklung des Fachs publiziert wurden, lassen sich daher im Kern auf diese Grundproblematik zurückführen, auch wenn diese selbst dabei bis heute nur selten direkt thematisiert worden ist. Im folgenden soll versucht werden, in einem forschungsgeschichtlichen Überblick die unterschiedlichen gedanklichen Ansätze zu dieser Frage und damit zugleich die verschiedenen Modelle eines erkenntnistheoretischen Zugangs zur Interpretation archäologischer Quellen des Mittelalters darzustellen. (...)

 

(Auszug aus: Scholkmann, Barbara: Die Tyrannei der Schriftquellen? Überlegungen zum Verhältnis materieller und schriftlicher Überlieferung in der Mittelalterarchäologie, ebd., S. 239-240)

WAXMANN Verlag

WAXMANN Verlag
Heinz, Marlies / Eggert, Manfred K. H. / Veit, Ulrich (Hrsg.): Zwischen Erklären und Verstehen? Beiträge zu den erkenntnistheoretischen Grundlagen archäologischer Interpretation. Tübinger Archäologische Taschenbücher Bd. 2. Münster et al.: Waxmann Verlag 2003, 264 Seiten, br.
Heinz, Marlies / Eggert, Manfred K. H. / Veit, Ulrich (Hrsg.): Zwischen Erklären und Verstehen? Beiträge zu den erkenntnistheoretischen Grundlagen archäologischer Interpretation. Tübinger Archäologische Taschenbücher Bd. 2. Münster et al.: Waxmann Verlag 2003, 264 Seiten, br.